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In besten Kreisen

In besten Kreisen

Titel: In besten Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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verbieten, auch nur ein Blutkörperchen zu erwähnen. Ist Ihre Frage damit beantwortet?« Grace grinste ihn an. »Mr. Crawford, ich muß dafür sorgen, daß Sie im Doktoranden-Kolloquium über Jane Austen reden, nur, damit ich kommen und Ihnen zuhören kann.« »Über James Joyce, bitte, oder einen ähnlich modernen Dichter.
    Ich habe solche Berge von Material über ihn durchgearbeitet, ein Stück wunderbarer als das andere, daß ich glaube, ich lasse die gute alte Jane fahren und schreibe über die Bedeutung des Verlegers für die moderne Literatur. Mit Kates Erlaubnis natürlich.« »Jemand muß einfach ein Buch über Sam Lingerwell schreiben.
    Wie weit sind Sie denn?« fragte Kate.
    »Es geht skandalös langsam. Lingerwell hat die Briefe zumindest chronologisch geordnet, das heißt, jeden September nahm er sich eine neue große Aktenkiste und warf die Briefe in der Reihenfolge hinein, in der er sie beantwortete. Es wäre also fraglos viel leichter für mich gewesen, das Zeug nach Daten und nicht nach Absendern und Empfängern zu ordnen, aber das würde den Wissenschaftlern, die damit arbeiten wollen, kaum helfen. Die Briefe von Lawrence sind faszinierend, aber die Briefe von Joyce zeigen den ganzen Lingerwell. Vor allem die Briefe über ›Dubliner‹. Nach dem ›Porträt‹ – während der Arbeit an ›Ulysses‹ – schrieb er Lingerwell viel seltener. Aber den Ärger, den er wegen ›Dubliner‹ bekam – es ist kaum zu glauben! Was die Drucker anscheinend besonders aufbrachte, war die Tatsache, daß er reale Orte in Dublin erwähnte. Kann man sich das vorstellen? Wenn heute ein Autor nicht alle Örtlichkeiten genau benennt, kann er genausogut Comics schreiben. Er muß nur schreiben, daß ›jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen oder wirklichen Örtlichkeiten rein zufällig‹ wäre, und schon weiß jeder, es ist ein Schlüsselroman.« »Stand da nicht etwas über Edward VII. drin, das man nicht haben wollte?« fragte Grace.
    »Was Sie sich alles merken«, sagte Kate.
    »Ja, wieso sollte er denn nichts sagen dürfen über diesen fetten Lustmolch?« fragte Emmet. »Ich weiß, ich weiß, jetzt kommt das mit der Entente mit Frankreich, die er zustande gebracht hat, was immer das gewesen sein mag. Aber das gelang ihm nur, weil er perfekt französisch konnte. Die Franzosen, denen jedes Gefühl für Moral abgeht, können einfach nicht anders, als einen Mann bewundern, der ihre kostbare Sprache beherrscht. Trotzdem hat er sich sein Leben lang nur seinen kindischen Vergnügungen gewidmet.« »Ich habe ihn immer gemocht«, sagte Grace. »Zugegeben, er haßte abstrakte Gedanken oder eine intelligente Unterhaltung, und er bekam offenbar Anfälle, wenn jemand nicht perfekt gekleidet war.
    Aber er war ein sehr taktvoller Mensch. Einmal besuchte ihn ein indischer Prinz, der beim Spargelessen die Strünke über die Schulter auf den Teppich warf. Alle anderen Gäste starrten ihn so fasziniert wie verzweifelt an, aber der alte Tumtum warf einfach seine Strünke ebenfalls über die Schulter, als wäre das die normalste Sache der Welt, und bald taten es ihm alle Gäste nach. Diese Form von Takt gefällt mir sehr.« »Auf alle Fälle war er ein besserer Mensch als seine Mutter«, sagte Kate, »von der es heißt, daß sie unverständlicherweise völlig die Fassung verlor, als ein Potentat ein Schaf auf einem der besten Teppiche des Buckingham-Palasts opferte.« »Tumtum?« fragte Emmet.
    »So sollen ihn seine Mätressen genannt haben«, sagte Grace.
    »Übrigens muß ich gestehen, daß ich, von meiner Vorliebe für Edward VII. einmal abgesehen, ›Dubliner‹ für außerordentlich überschätzt halte. Ich habe letzte Nacht darin gelesen, nach unserer außerordentlich faszinierenden Sitzung mit Mr. Stratton. Wenn nicht jeder zweite unserer Doktoranden hierzulande es auf sich genommen hätte, endlos über das Buch zu schreiben, hätte ihm wohl niemand mehr als vorübergehende Beachtung geschenkt.« »So ist es mir immer mit Milton gegangen«, sagte Kate. »Hat man ›Paradise Lost‹ erst vierzehnmal gelesen, dann muß man es, verdammt nochmal, einfach interessant finden.« »Da stimme ich Ihnen nicht zu, wie Sie sich denken können«, sagte Grace. »Aber ich habe gar nicht vor, Joyce verächtlich zu machen. Ich meine lediglich, daß ›Dubliner‹ nur deswegen von Interesse ist, weil es zu ›Ulysses‹ führt.« »Anders gesagt«, sagte Emmet, »›Dubliner‹, als Dublin ohne Bloom, wird nie wirklich lebendig als Gegensatz zum

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