In besten Kreisen
eines im Übermaß an ihr auffiel: ihre Frische. Während Kate die Küche betrat, ging ihr durch den Kopf, wie selten diese Eigenschaft war und wie oft sie nur feindselige Gefühle überdecken sollte.
»Wie nett Sie die Küche hergerichtet haben«, sagte Kate. Mary Bradford hatte zwar unentwegt davon geredet, wie schwer sie arbeitete und daß keiner in ihrer Familie etwas wegräume, aber ihre Küche und das ganze Haus hatten stets ausgesehen wie die Büchse der Pandora, aus der fortwährend unschöne Dinge quollen. Jetzt waren die Arbeitsflächen in der Küche freigeräumt; auf dem Tisch standen Blumen – Mary hatte nie Zeit gehabt, welche zu pflücken. Das Mädchen war gerade dabei, einen Kuchen zu backen, und benutzte dazu, wie Kate bemerkte, lauter echte Zutaten – Butter, Zucker, Mehl, Eier – und keine vorgefertigte Backmischung, wie Mary das getan hatte.
»Ich bin Kate Fansler, Ihre Nachbarin oben an der Straße«, sagte Kate. »Ich hätte schon früher vorbeikommen und meine Hilfe anbieten sollen, aber irgendwie… « »Es muß sehr schlimm für Sie gewesen sein«, sagte das Mädchen, »bei all dem Durcheinander und diesem furchtbaren Schuß. Ist die Polizei wieder fort?« »Sie ist tatsächlich gegangen, jedenfalls fürs erste. Die Autopsie hat keine Überraschungen zutage gefördert; daß der junge Mann, der das Gewehr abgeschossen hat, unter Anklage gestellt wird, ist unangenehm, aber überraschend kam es nicht. Wollen Sie die Kinder nicht einmal zu uns herüberschicken und ein paar Stunden Ruhe haben? Sie müssen sehr, sehr viel zu tun gehabt haben.« »Das Schlimmste waren die Besucher. Heute sind sie wenigstens einmal nicht gleich am Morgen anmarschiert. Aber heute nachmittag werden sie kommen. Ich mag Leute um mich, wirklich, aber…« »… aber nicht, wenn sie vier Teile Bösartigkeit mit einem Teil Neugier mischen. Und jetzt bin ich da und ruiniere Ihnen den einzigen freien Vormittag. Kann nicht einer von uns heute abend bei den Kindern bleiben, und Sie gehen ins Kino? Vielleicht würde auch Mr. Bradford gern ausgehen? Also, abgemacht. Jetzt will ich Sie nicht länger aufhalten. Falls Sie ein paar Stunden für sich haben wollen…« »Bitte, gehen Sie nicht, Professor Fansler.« »Meine Güte, so nennt mich keiner, außer ein paar Studenten und den Buchhändlern.« »Dann also Dr. Fansler.« »Absolut niemand redet mich so an, nur über meine Leiche. Ich habe dann immer die Befürchtung, es könnte einer mit einem gebrochenen Bein zu mir kommen. Kate reicht völlig oder Miss Fansler, wenn soviel Formlosigkeit Ihnen unbehaglich ist.« »Miss Fansler, viele der Leute, die hier vorbeigekommen sind, hatten so manches über Sie zu erzählen, aber ich nehme an, das wissen Sie. Daher wußte ich, daß Sie Professor sind: Es wird getratscht.
Aber Mrs. Monzoni sagt, Sie wären einer von den wenigen Menschen, für die sie gearbeitet hat, die anderen Leuten zutrauen, daß sie ihren Job auch verstehen, und ich kann mir vorstellen, daß Sie als Lehrerin viel Erfahrung mit Menschen haben.« »Ein bißchen«, sagte Kate, weil der Satz eine Antwort zu erfordern schien. »Aber ich bin nicht sehr gut im Verbreiten von Sympathie. Ich bemühe mich, so vernünftig und geradeheraus zu sein, wie ich kann, aber um ehrlich zu sein, der mütterliche Typ bin ich nicht.
Von den Studenten, die mich nicht mögen, und derer gibt es reichlich, sagt die eine Hälfte, ich sei eisenhart, und die andere, ich sei kalt wie ein Fisch. Wahrscheinlich haben beide recht.« »Mir kommen Sie freundlich, intelligent und sensibel vor und fä-
hig, Dinge auch für sich zu behalten, und ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll«, sagte das Mädchen und brach in Tränen aus.
»Mist«, sagte Kate. »Das tut mir leid. Kann ich Ihnen mein Taschentuch anbieten, nur einmal kurz benutzt, um meinem Neffen etwas aus dem Auge zu holen? Der große Vorteil ländlicher Kleidung ist, daß sie große Taschen hat, was bei Stadtkleidung natürlich nie der Fall ist – es sei denn, einen Modeschöpfer hat die Inspiration heimgesucht, und dann stehen die Chancen eins zu zehn, daß er die Tasche an einer Stelle anbringt, wo man nichts hineinstecken kann, ohne auszusehen, als hätte man einen Tumor; hören Sie, Miss, ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen, aber was immer Ihr Problem ist, ich bin sicher, daß es nicht so furchtbar ist, wie Sie denken. Es gibt ein paar Dinge, die wirklich furchtbar sind, unheilbare Krankheiten zum Beispiel – aber die
Weitere Kostenlose Bücher