In besten Kreisen
dir?« »So, wie die Dinge liegen, wird ihn mein Titel eher davon überzeugen, daß der Fall wichtig ist.« »Soll heißen, du kannst ihn besser einschüchtern.« »Soll heißen, was immer er zu sagen hat, ist vielleicht ein Vertrauensbruch gegenüber Dritten. Das ist manchmal einfacher mit einem Anwalt, der ein rein berufliches Interesse an der Sache hat.« Am frühen Morgen hörte Kate, wie Reed den Wagen aus der Garage holte. Sie beschloß, aufzustehen und sich anzuziehen, und als sie die Schublade mit der Unterwäsche aufzog, war sie nicht allzu überrascht, darin auf einem Stapel Büstenhalter ordentlich gefaltet ihren Führerschein und die Zulassung für den Volkswagen zu finden.
Eine Mutter
A m Mittwoch nach dem Frühstück beschloß Kate, daß, egal wie die Riten und Rituale des Lebens auf dem Lande sein mochten, es ein Gebot der Mitmenschlichkeit war, der jungen Dame einen Besuch abzustatten, die jetzt sozusagen die Last des Bradfordschen Haushaltes trug. Zweifellos, meinte Kate, gab es dort etwas für sie zu tun. Sollte es für sie als gute Nachbarin nichts zu tun geben, so konnte sie zumindest Mitgefühl und Hilfsbereitschaft für die Zukunft zusichern.
Emmet hatte, statt sich wie üblich in der unvermeidlichen Bibliothek einzumauern, einen Marsch quer durch die Felder unternommen – ein für ihn so untypisches Unternehmen, daß es an geistige Verwirrung grenzte. Obwohl sich ohne Zweifel seit dem Mord keiner ganz wie er selbst benahm. William war, nachdem er Leo im Lager abgeliefert hatte, mit Kates Erlaubnis nach Williamstown weitergefahren, wo er in der Bibliothek des Williams College einige Bücher einsehen wollte; es war dies die nächste solide Sammlung literarischer und wissenschaftlicher Werke in der Gegend. Hin und wieder dachte Kate recht verzweifelt an Reeds Geld, das voll und ganz verfallen würde, sollte William sich davonmachen; doch schien es weder möglich noch wünschenswert, deswegen seinen Bewegungsspielraum einzuschränken. Er kannte seine Lage, und falls ihn sein eigenes Ehrgefühl nicht von einer Flucht abhielte, würde das sicher nicht durch äußere Beschränkungen gelingen.
Lina und Grace Knole waren wahrscheinlich bei der Arbeit oder zumindest mit Nachdenken beschäftigt. Lina, die Karriere machen wollte, arbeitete an einem Buch über die Eigennamen im Roman des achtzehnten Jahrhunderts – ein reichlich abstruses Thema, wenn auch nicht so sehr der Kategorie »Wie viele Engel haben Platz auf einer Nadelspitze« zuzuordnen, wie der normale spöttische Laie vielleicht glauben mochte. Lina war eine glänzende Lehrerin, lebendig, interessiert und interessant, ganz ihrem Beruf verschrieben und verpflichtet; aber all diese Eigenschaften waren heutzutage nicht ausreichend, wenn man nicht publizierte. Daß niemand außer Kollegen aus der Wissenschaft jemals etwas über Eigennamen im achtzehnten Jahrhundert lesen würde, sprach nicht gegen das Buch, und das war gut so. Trotzdem stellte sich die Frage, ob Lina wirklich von dem Thema so gepackt war, wie man sich das wünschen würde, oder ob sie sich lediglich dafür entschieden hatte, weil nun mal ein Buch geschrieben werden mußte. Es würde nicht mehr lange dauern, und die gesamte Fachrichtung würde in einer Lawine veröffentlichter, unlesbarer Werke ertrinken, die weder mit Herzblut geplant und entwickelt waren, noch mit Dankbarkeit aufgenommen wurden.
Was einen natürlich an Graces Vorschlag von letzter Nacht denken ließ. Könnte die Präsidentin eines Colleges den Trend tatsächlich umkehren oder ihn zumindest konterkarieren und das Lehren wieder zu einem angesehenen Beruf machen, statt immer auf die Forschung zu starren? Kate wanderte den Straßenrand entlang, kickte mit der Fußspitze Kieselsteine vor sich her und zwang sich, nicht weiter über die angebotene Präsidentschaft nachzudenken. Sie war einfach noch nicht bereit, das Ganze wirklich abzuwägen. Der braune Hund kam herangetrottet. Kate begrüßte ihn, kraulte ihn liebevoll hinter den weichen Ohren. »Reed ist heute unterwegs, alter Knabe«, sagte sie.
Apropos Reed… Kate hatte zumindest so viel über ländliche Sitten gelernt, daß sie wußte: Man klopfte nie an der Vordertür, es sei denn, man hatte eine formelle Einladung, und meist noch nicht einmal dann. Sie ging also um das Haus herum und klopfte an die Scheibe in der Küchentür.
Ein junges hübsches Mädchen machte auf. Weder ihr Alter noch ihr Aussehen schienen auf den ersten Blick wirklich wichtig, weil
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