In besten Kreisen
Und wer wußte schließlich mehr über Gewehre als Brad? Seine einzige Verteidigung hätte sein können, daß er nicht wußte, daß diese beiden Idioten auf seine Frau schossen, aber jetzt hatte Molly mir erzählt, daß er davon wußte.
Kann jemand so unschuldig sein wie sie und doch nicht unschuldig? Das würde eine solche Hinterhältigkeit erfordern; ich weigere mich, ihr so etwas zuzutrauen. Was für ein scheußliches Durcheinander.
Wenn Brad es getan hat, können wir es nie beweisen. Es wird sein ganzes Leben lang über ihm schweben und über Williams Kopf ebenso. Aber was für einen Ausweg gibt es? Kaum anzunehmen, daß wir jetzt noch auf entscheidende Hinweise stoßen. Würde dies in einem jener wunderbaren Bücher von Ngaio Marsh passieren, dann würden wir das Ganze noch einmal nachstellen, vom Sonntagmorgen an, und im Laufe des Dramas würde sich der Täter verraten. Aber ich fürchte, das übersteigt unsere Möglichkeiten. Inspektor Alleyns Methoden sind für Scotland Yard zweifellos richtig, aber hier in Araby würde es so wirken, als hätten wir alle den Verstand verloren.
Verdammter Reed. Warum ist er nicht hier und diskutiert das mit mir? Im selben Augenblick spazierte Reed über das Pflaster von New York und dachte erstaunlicherweise an die Wiesen und die linden Lüfte von Araby. Die Straße schien die Hitze regelrecht aufzusaugen und verstärkt wieder abzustrahlen. Aber die Räume, in denen der Calypso Verlag residierte, waren klimatisiert. Die Dame am Empfang, die Reed begrüßte, ließ durch ihre eigene Kühle die Temperatur noch tiefer sinken. Sie schien Reed zu unterstellen, daß er ihr gleich ein langes, handgeschriebenes, nicht angefordertes Manuskript aufdrängen werde. Als sie hörte, daß er Mr. Farrell sprechen wolle, verwandelte sich ihr allgemeines Mißtrauen gegen Autoren sichtlich in ein spezielles gegen Handelsvertreter.
»Haben Sie einen Termin?« »Nein. Würden Sie so freundlich sein, Mr. Farrell meine Karte zu geben und ihm zu sagen, daß ich ihn in einer Angelegenheit von einiger Bedeutung sprechen möchte?« »Nehmen Sie Platz«, sagte sie. »Ich werde sehen.« Sie kam schon kurz darauf zurück und erklärte, daß Mr. Farrell gerade ein Ferngespräch führe, aber bald da sein werde.
Ed Farrell entpuppte sich als ein großer, gutaussehender Mann mit grau werdendem Haar und besorgter Miene. Reed hatte den Eindruck, daß er viele Stunden in Diskussionen mit Schriftstellern verbrachte und froh war, jemanden zu treffen, der sich nicht mit einem Buch herumschlug. »Und Sie haben wirklich nichts geschrieben?« fragte er, als könne er kaum fassen, daß mit Reed ein Nicht-Schriftsteller vor ihm stand.
»Seit dem Tod meiner Mutter habe ich nicht einmal einen Brief geschrieben, und das ist fünf Jahre her«, sagte Reed. »Danke, daß Sie mich empfangen. Ich werde versuchen, mich so kurz zu fassen, wie ich kann.« »Wonach forscht denn die Bezirksstaatsanwaltschaft jetzt? Nach obszöner Literatur? So etwas drucken wir nicht.« »Mr. Farrell, zufällig bin ich hier unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, das sage ich Ihnen lieber gleich.« »Sie sind kein stellvertretender Bezirksstaatsanwalt?« »Doch, das bin ich. Aber mein Besuch bei Ihnen ist nicht offizieller Natur. In Wahrheit mache ich nämlich gerade Urlaub, und davor hatte ich einen Auftrag in England zu erledigen. Ich bin also seit Monaten nicht einmal in die Nähe meines Büros gekommen. Andererseits handelt es sich auch nicht um eine rein private Angelegenheit. Es geht um einen Mord.« »Faszinierend. Ich lese keine Kriminalromane, obwohl wir welche veröffentlichen, und zwar, wie man mir sagt, nur die besten. Ich bin in der Tat der gleichen Meinung wie jener kluge Kritiker, den es nicht interessierte, wer Roger Ackroyd umgebracht hat. Aber ich vermute, daß sich niemand dem Nervenkitzel eines Mords im wirklichen Leben entziehen kann, vor allem, wenn er das Opfer nicht kennt.« »Ich besuche gerade Kate Fansler auf dem Lande. In der Nähe des Hauses wurde eine Frau erschossen, und zwar von einem ihrer Hausgäste. Wir haben Grund zu der Annahme, daß der Schuß nicht ganz so zufällig fiel, wie es schien. Soll heißen: Jemand, der um die Zielübungen mit dem vermeintlich ungeladenen Gewehr wußte, hat es heimlich geladen.« »Wie ungewöhnlich. Natürlich kenne ich Kate. Sam Lingerwell hat seine sämtlichen Papiere seiner Tochter hinterlassen, und Kate hilft ihr, sie zu ordnen. Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie
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