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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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– verstaute. Er schob das Munitionsmagazin in seine Glock und verließ das Hotel in Richtung U-Bahn.
    Nemek traf pünktlich ein und ließ Brolin nicht lange in der Little Nassau Street warten. Ein alter roter Chevrolet mit weißem rostigem Dach hielt auf seiner Höhe an. Nemek öffnete ihm die Tür.
    »Kann’s losgehen?«
    Statt zu antworten, hielt ihm Brolin die zweihundert Dollar hin.
    »Okay, wie du willst«, meinte Nemek und zündete sich einen Joint an.
    Sie fuhren in Richtung Manhattan, und schon bald war das Wageninnere von einem schweren, süßlichen Geruch erfüllt. Brolin hatte vorübergehend das Gefühl, sein Sehvermögen würde sich verbessern, so als besäße die Droge die Macht, die Sinne zu schärfen.
    »Also, wohin genau geht die Reise?«, wollte er wissen.
    Ein geheimnisvolles Lächeln huschte über Nemeks Züge, und er legte den Zeigefinger zum Zeichen des Schweigens auf die Lippen.
    Sie überquerten den East River und fuhren nach Norden – auf der einen Seite das stille schwarze Wasser, auf der anderen die aggressiven Stahl- und Glaskonstruktionen. Vor ihnen ein Meer von schimmernden Rücklichtern, die an eine dämonische Prozession erinnerten. Auf Höhe der 102nd Street verließen sie den Expressway, den Franklin D. Roosevelt Drive. Brolin betrachtete die Schneemassen rund um das Psychiatrische Zentrum von Manhattan und fragte sich, was sich hinter diesen Mauern verbergen mochte.
    Als sie in die 111th Street bogen und ins Viertel Spanish Harlem einfuhren, machte Nemek endlich den Mund auf.
    »Was auch passiert, solange ich da bin, folgst du mir, ohne Fragen zu stellen, verstanden?«
    »Ja.«
    »Mae Zappe hat sich hundertprozentig für dich verbürgt, also mach keinen Blödsinn. Auf dem Weg zum Hof der Wunder hafte ich für dich, wenn du also Mist baust, sitze ich in der Scheiße. Und wenn ich in der Scheiße sitze …«
    »… sitze ich auch drin, hab schon kapiert. Heute Morgen hast du von Burschen geredet, die das Ganze verwalten, diese Schlepper, wer sind die?«
    »Eine Gang von Latinos. Der Hof der Wunder ist für sie die Henne, die goldene Eier legt, also machen sie keinen Ärger. Was nicht heißt, dass man sie übers Ohr hauen kann. Sie sind gefährlich und zu allem bereit, um ihr Business zu schützen. Je weniger du über sie weißt, desto besser.«
    Kurz darauf stellte Nemek den Chevrolet ab. Als sie ausstiegen, wurden sie augenblicklich von der Kälte umschlungen, die unangenehm an ihren Ohren leckte.
    Wie ein Aquädukt überquerte die viergleisige Eisenbahntrasse, die vom Grand Central Terminal ausging, die 111th Street vor ihnen und raubte dem letzten Teil des Gehwegs die Lichter der Stadt. Kurz vor diesem Schattenteppich schwirrte eine rot-blaue Gloriole über einer Gruppe von Eingeweihten. Nemek kümmerte sich nicht um sie und begrüßte die beiden Türsteher vor dem Eingang. Sie wechselten ein paar Worte, die Brolin nicht verstehen konnte. Als er den Namen des Clubs las – »DOWN UNDER« –, spielte ein Lächeln um Brolins Lippen. Man ließ sie eintreten und eine mit rotem Teppich ausgelegte Treppe, die Wände waren in der gleichen Farbe gestrichen, hinuntergehen bis zu einer Plattform, die einen gewaltigen Graben überspannte, auf der sich mehr als hundert junge Leute verzückt verrenkten. Hämmernde Rhythmen erfüllten die Luft, die Bässe wummerten, mit jedem Dröhnen wurde der Sauerstoff weniger und drückte die Brustkörbe zusammen. Von der Kälte draußen war nichts mehr zu spüren. Vor ihnen führte eine große Treppe zur endlosen Tanzfläche und der auf ihr wogenden Menge. Zur Rechten und zur Linken waren zwei Metallbrücken – eine, die um den Saal herumführte, eine andere, von der aus man die Räumlichkeiten überblickte –, das Ganze unterbrochen von größeren Lichtflecken, auf denen sich Go-go-Girls vor den jungen Wölfen aufreizend in den Hüften wiegten.
    »Komm!«, rief Nemek über das Dröhnen der Techno-Musik hinweg. »Hier geht’s lang.«
    Er deutete auf eine endlos lange Bar, die in buntes Neonlicht getaucht war. Sie bahnten sich ihren Weg durch das Gewimmel, was den Einsatz der Ellenbogen erforderte, vorbei an der Bar, bis Nemek plötzlich um eine Ecke verschwand. Brolin, der ihm folgte, war beeindruckt von der Kulisse: Der Flur war in fluoreszierenden Farben gestrichen und wurde von raffinierten Lampen angestrahlt, die den Effekt noch unterstrichen. Es war nicht sehr hell, und der Privatdetektiv musste Nemek auf den Fersen bleiben, um ihn in der Menge

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