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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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zu sein, dass dieses Notizbuch von größter Wichtigkeit war, so dass Detective Brett Cahill nicht weiter über seinen eigenen Verstoß nachdachte – wichtig war nur, was in diesem Büchlein stand.
    Cahill ging sofort hinauf ins Schlafzimmer der Shapiro-Geschwister. Er durchwühlte alle Habseligkeiten, die die Polizei nicht mitgenommen hatte. Nachdem er nichts gefunden hatte, ging er beunruhigt ins nächste Zimmer. Hier war die Suche schnell erledigt, und nichts, aber auch gar nichts sah nach Lucas Shapiros Notizbuch aus.
    Er ging hinunter und durchsuchte akribisch das Wohnzimmer, nahm jede einzelne Zeitschrift hoch und sah hinter dem Sofa nach. Die Atmosphäre war bedrückend, und Cahill musste unwillkürlich an all das denken, was sich hier abgespielt hatte – die Gewalttätigkeiten zwischen den Geschwistern, die physische und psychische Folter.
    Und dann sah er es.
    Keine zwei Meter von ihm entfernt.
    Gleich neben dem Telefon.
    Ein Notizbuch in einer abgewetzten Lederhülle. Es lag genau dort, wo es hätte liegen sollen.
    Das kann doch wohl nicht wahr sein! Wie konnten die Kollegen es übersehen!
    Cahill öffnete es und blätterte die Seiten bis zum letzten Eintrag durch. Die Notizen, die die Sportergebnisse betrafen, stammten von Samstag, dem 19. Januar, dem Tag vor dem Treffen von Lucas Shapiro und Bob. Er blätterte weiter – nichts mehr.
    Dabei musste es doch …
    Das Papier war oben eingerissen, die letzte beschriebene Seite musste herausgerissen worden sein. Cahill knipste die Lampe neben dem Tisch an. Er hielt das Notizbuch gegen das Licht, um mögliche Druckspuren des Kugelschreibers auf der nächsten Seite zu erkennen. Wieder nichts.
    »Mist«, fluchte er.
    Cahill griff zu seinem Handy und rief Neil Keel an.
    »Ich habe das Notizbuch gefunden, aber die letzte Seite fehlt. Auf der muss die Adresse gestanden haben.«
    »Macht nichts, bringen Sie’s mir trotzdem.«
    »Ich habe überprüft, ob sich der Stift durchgedrückt hat, aber es sieht nicht so aus.«
    »Kommen Sie so schnell wie möglich hierher, Detective Cahill. Ich werde Ihnen zeigen, wie man Papier zum Sprechen bringt.«
    »Aber …«
    »Keine Diskussionen, beeilen Sie sich. Bob hat eine Frau in den Wahnsinn getrieben und einem Kind mehrere Fingerglieder abgetrennt, um die Polizei dazu zu bringen, die Ermittlungen einzustellen. Können Sie sich vorstellen, was er tun wird, wenn er erfährt, dass jetzt das FBI hinter ihm her ist?«
    »Okay, bin schon unterwegs.«
    Brett Cahill beendete das Gespräch und nahm das Notizbuch an sich. Keel hatte Recht, die Medien hatten ausführlich von der Einmischung des FBI berichtet; das würde mit Sicherheit Bobs Wut anstacheln. Sie mussten sich beeilen, bevor er wieder zuschlug. Dieser Typ ist in der Lage, eine Frau, die vorher völlig normal war, in den Wahnsinn zu treiben! Und er hatte nicht gezögert, einem Kind zwei Fingerglieder abzutrennen. Wie sähe die nächste Stufe aus? Welche grauenvolle Steigerung käme als Nächstes?
    Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie es herausfinden würden.

57
    Wie bestellt, klingelte um Punkt achtzehn Uhr das Telefon, um Brolin zu wecken. Mit einer ausgiebigen Dusche befreite sich der Privatdetektiv aus den Fängen des Schlafes. Im Hinblick auf den bevorstehenden Abend hatte er sich eine Siesta gegönnt, denn er hatte nicht die geringste Vorstellung, was ihn erwartete. Es war der große Schauder, der Adrenalinschub, der dem ersten Schritt ins Unbekannte vorausgeht.
    Dann unternahm er mit Saphir einen ausgiebigen Spaziergang durch die eisigen Straßen des Viertels – zum Wohle des Hundes, aber auch, um einen klaren Kopf zu bekommen. Die von Raureif überzogenen Gebäude erinnerten an künstliche Stalagmiten. Die Autos spiegelten sich in den erleuchteten Schaufenstern der Geschäfte.
    Inmitten dieses funkelnden Balletts knirschen die Schritte der Passanten im Schnee. Jeder von ihnen mit einer komplexen Existenz beladen, mit einer einzigartigen Wahrnehmung; in jedem von ihnen spielt sich eine Tragödie ab, ignoriert von den anderen. Gut verankert in den Sorgen ihrer kleinen Welt, weichen sie Brolin im Vorübergehen aus, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, wer er ist und was er tut.
    Am frühen Abend speiste der Privatdetektiv in seinem Zimmer – ein leichtes Essen, von dem auch der Hund zu seinen Füßen etwas abbekam.
    Um halb neun nahm er ein Bündel Geldscheine und teilte es in mehrere Päckchen auf, die er an verschiedenen Stellen – in den Taschen und den Socken

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