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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Gebiet sehr gut auskennt. Er ist morgen früh in der Stadt.«
    »Es ist dringend.«
    »Im Moment sitzt Valentin im Flugzeug, er ist auf dem Rückweg von einem Familienbesuch in Kalifornien. Ich würde Ihnen vorschlagen, mit den Museen bis morgen zu warten. An einem Montagmorgen werden wir wesentlich bessere Auskünfte bekommen, als wenn wir die Leute sonntagabends zu Hause stören.«
    Thayer wollte etwas einwenden, doch Sheriff Murdoch winkte ab.
    »Ich schlage Ihnen Folgendes vor: Kommen Sie mit zu mir nach Hause, ich mache etwas zum Abendessen, und anschließend nehmen wir uns die Akten vor. Ich habe Platz, Sie können auch bei mir übernachten. Morgen bringe ich Sie dann zu all den Leuten, die Sie treffen wollen. Glauben Sie mir, ich kenne mich hier aus, machen Sie es lieber auf meine Art, das funktioniert besser. Die Leute werden bereitwilliger mit Ihnen zusammenarbeiten.«
    Thayer und Annabel tauschten einen eher zögernden Blick.
    Als Annabel sagte, sie würden sein Angebot annehmen, leuchtete Siegesfreude in den Augen des Sheriffs auf.
    »Sie werden sehen, ich bin zwar kein Meister der Schlussfolgerungen, aber als Koch kann ich mich durchaus sehen lassen …«
    Annabel hörte ihm gar nicht mehr zu, sie dachte an Calvin Valentin. Sie wusste nicht, warum, aber sie hatte das Gefühl, dass sie diesen Valentin so schnell wie möglich treffen musste.

56
    Brett Cahill stellte den Wagen am Anfang der Gold Street ab, da er wusste, dass es in der kleinen Straße, in deren Mitte das 84. Revier lag, nie freie Parkplätze gab. Er massierte sich die Schläfen, bevor er in die Kälte trat. Er konnte nicht mehr. Er brauchte dringend eine Pause. Egal wie, aber er musste mal abschalten, er konnte nicht ewig so weitermachen. Tagsüber vor den Kollegen die Fassade aufrechterhalten und auch noch nachts einsatzbereit sein: Das Ganze wurde langsam unerträglich. Aber er konnte sich auch nicht einfach aus der Affäre ziehen, daran war nicht zu denken. Und er wollte es auch gar nicht. Wenn er eines Tages zwischen beiden wählen müsste, wäre die Entscheidung schon getroffen. Das nötige Kleingeld würde er sich dann auf andere Weise beschaffen.
    Er ging zu dem Revier, das er gut kannte, da er dort ein Jahr lang gearbeitet hatte. Ein Jahr in diesem braunen Bunker mit den kleinen Fenstern. Er lief an den Polizeifahrzeugen vorbei – weiße, mit einer dünnen Schneeschicht bedeckte Wagen der Marke Ford Crown Victoria, auf deren Seitentüren die Devise der Polizei prangte – »Courtesy-Professionalism-Respect« – und gelangte zu dem gegenüberliegenden Gittertor. Cahill betrat gar nicht erst das Hauptgebäude, er wusste, dass man ihn ohnehin in die Asservatenkammer schicken würde, wo alle bei Shapiro beschlagnahmten Beweisstücke während der Ermittlungen verwahrt wurden. Ein Berg von weißen und blauen Müllsäcken stapelte sich vor dem Eingang mit der Nummer dreihundert, einem grauen, fünfstöckigen Haus, das schon längst renoviert gehörte – wie so vieles bei der New Yorker Polizei.
    Cahill durchquerte die Eingangshalle und knöpfte im Gehen seinen Wollmantel auf, unter dem ein tadelloser Anzug zum Vorschein kam. Solange er noch Zeit hatte, seine Anzüge von der Reinigung abzuholen, konnte die Situation nicht allzu kritisch sein, dachte er spöttisch.
    Er zeigte seine Dienstmarke, und nachdem er den Grund seines Besuchs erklärt hatte, wurde ihm die Tür zu einem Lager im Keller geöffnet, ein Raum mit hohen Stahlregalen, voll gestopft mit Beweismaterial. Shapiros Sachen befanden sich in den durchnummerierten Kartons eins bis sechsunddreißig. Aus Zeitmangel war bisher noch keine Liste mit dem jeweiligen Inhalt angefertigt worden.
    Brett Cahill musste sich also durch die einzelnen Kartons arbeiten, zwischen den berüchtigten Kassetten und dem Tätowiermaterial wühlen. Dabei fand er zwar einen Terminkalender, nicht aber das lederne Notizbuch. Cahill fluchte laut.
    Er kehrte zu seinem Auto zurück und fuhr die Flatbush Avenue hinunter, vorbei an dem entlaubten und beinahe unheimlich wirkenden Prospect Park, durch Kensington Richtung Parkville und zur West 50th Street. Eher eine kleine und unscheinbare Sackgasse als eine pulsierende Einkaufsmeile.
    Als er ausstieg, vergewisserte er sich, dass ihn niemand beobachtete – die Sackgasse lag verlassen da –, und bog dann in die Zufahrt zu Shapiros Haus ein. Er zerriss das Polizeisiegel an der Hintertür und verschaffte sich gewaltsam Zutritt. Special Agent Keel schien der Ansicht

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