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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Privatdetektiv entschied sich für eine vorsichtige Annäherung. Er betrat das Gotteshaus, in dem es ruhig und feucht war. Trotz der vereinzelten brennenden Kerzen war es relativ dunkel im Kirchenschiff, durch die Fenster mit den matten Glasscheiben drangen nur blasse bläulich, rötlich und grünlich gefärbte Lichtstrahlen. Nirgendwo eine Menschenseele, er war allein in diesem modrigen Geruch, der sich mit dem des geschmolzenen Wachses zu einem eigenartigen Duft vermischte, wie in einem alten Weinkeller.
    Brolin umrundete ein an der Wand aufgestelltes Gerüst und trat an die Stufen zum Chor. Auch hier keine Spur von einem Priester. Er setzte seinen Weg fort und entdeckte, von einem Vorhang verborgen, eine Tür mit der Aufschrift »Privat«.
    »Ist da jemand?«, fragte er erst gedämpft, dann lauter.
    Da er keine Antwort bekam, öffnete er die Tür und ging durch einen dunklen Flur, der zum Presbyterium führte. Er wiederholte seine Frage – auch diesmal erfolglos. Plötzlich, wie aus dem Nichts, tauchte eine Gestalt vor ihm auf. Brolin zuckte zusammen, und der andere Mann schrie erschrocken auf. Es war ein dicker Mann mit struppigem Haar und einem Gesicht, das von Ekzemen entstellt war. Er mochte um die vierzig sein.
    »Was machen Sie da?«, fragte er, und eine gewisse Angst schwang in seiner Stimme mit.
    »Guten Tag, ich bin Privatdetektiv.« Brolin zeigte seinen Ausweis. »Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken, aber ich war in der Kirche und habe niemanden gesehen, also … Ich möchte Pater Dewey sprechen.«
    Der kleine Mann musterte Brolin von Kopf bis Fuß, ehe er sich misstrauisch erkundigte: »In welcher Angelegenheit?«
    »Es geht um eine vermisste Frau.«
    Brolin deutete ein freundschaftliches Lächeln an und fuhr sanft, aber mit Bestimmtheit fort: »Es ist wichtig. Vielleicht kann Pater Dewey mir helfen, sie wiederzufinden. Sie ist in Gefahr.«
    Er sprach langsam und ließ seinem Gegenüber Zeit, jedes Wort zu verarbeiten. Der Priester schien plötzlich verlegen.
    »Pater Dewey ist nicht mehr hier, Sir. Er ist vor einem Monat nach Philadelphia gegangen.«
    Das ließ sich nicht gut an. Brolin schob die Hände in die Taschen, er hätte gerne eine Zigarette geraucht.
    »Und Sie, sind Sie schon lange hier?«
    Das rote Gesicht nickte stolz.
    »Seit drei Jahren. Ich bin Pater Franklin-Lewitt.«
    »In diesem Fall könnten Sie mir vielleicht helfen. Aber all das muss unter uns bleiben, es ist streng vertraulich. Kann ich mich auf Sie verlassen?«
    Der Mann schien beleidigt.
    »Ich bin ein verschwiegener Mann, mein Sohn«, erklärte er und deutete, wie zum Beweis, auf alles, was sie umgab.
    »Gut. Kennen Sie Meredith Powner?«
    »Aber ja, das ist die Kleine, die letztes Jahr verschwunden ist. Sie kam oft hierher, eine sehr christliche Seele! Kommen Sie ihretwegen?«
    »In gewisser Weise. Ich denke, die Polizei hat Sie das schon gefragt, aber haben Sie sie hier mit einem Mann gesehen, ich meine, jemanden, mit dem sie sich unterhalten hat?«
    »Nein … dass heißt, eigentlich redete sie mit allen.«
    Brolin nickte. Etwas anderes hatte er nicht erwartet. Er zog das Foto von Spencer Lynch heraus, das Annabel ihm anvertraut hatte, und zeigt es Pater Franklin-Lewitt.
    »Und dieser Mann, haben Sie den schon hier gesehen?«
    Der Pater nahm die Fotografie und betrachtete sie aus der Nähe.
    »Hm … Ich denke, ja. Na ja, sicher bin ich nicht, weil …« Er deute verlegen auf sein eigenes Gesicht. »Ich habe immer Mühe, die Farbigen auseinander zu halten, aber ich glaube, ich weiß, wer er ist, ich meine, nicht seinen Namen, aber ich habe ihn schon gesehen. Diese leicht vorstehenden Augen. Er kommt häufig. Er spricht nicht, aber er sitzt immer hinten auf derselben Seite.«
    Brolin horchte auf. Er nahm das Foto wieder an sich.
    »Er sitzt immer hinten?«, beharrte er. »Ist jemand anderes bei ihm, oder ist er allein?«
    »Nein, er ist allein, zumindest soweit ich weiß. Auf der letzten oder vorletzten Bank links, genau kann ich es nicht sagen. Hören Sie, Sie sind Privatdetektiv, nicht wahr?«
    »Genau.«
    Der Pater zögerte, leckte sich die Lippen und schien nach den richtigen Worten zu suchen.
    »Gibt es ein Problem?«, erkundigte sich Brolin.
    Die Brust des Kirchenmannes senkte sich wieder, und er schüttelte den Kopf.
    »Nein, nein, ich habe mich nur gefragt, warum ein Privatdetektiv und nicht die Polizei, das ist alles.«
    Brolin, der nicht ganz überzeugt war, beobachtete das nervöse Verhalten des

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