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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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sitzt noch im Gefängnis, der andere wurde vor zwei Jahren entlassen. Das wird diese Woche noch erledigt. Ich will, dass auch in dieser Hinsicht nichts vernachlässigt wird. Tragen Sie alles zusammen, was Sie über diese beiden Kerle in Erfahrung bringen können …«
    Captain Woodbine richtete sich zu seiner vollen Größe auf, nickte den drei Detectives zu und kehrte in sein Büro zurück.
    Brett Cahill hatte sich erhoben, um die siebenundsechzig Fotos in Augenschein zu nehmen. All diese halb nackten Körper.
    »Was hat die Untersuchung der Fingerabdrücke ergeben?«, fragte er.
    »Nichts«, antwortete Annabel. »Wir haben nur die von Spencer Lynch gefunden, seine Komplizen sind äußerst vorsichtig.«
    »Vielleicht sind es ja nur zwei, Lynch und Bob, warum mehr?«
    »Zunächst einmal, weil nicht ein Mann allein all diese Menschen hat entführen können, stellen Sie sich das doch mal vor! Lynch kann nur drei für sich verbuchen, es bleiben also noch vierundsechzig Personen übrig, die innerhalb von weniger als drei Jahren ohne Zeugen entführt wurden. Dazu bedarf es einer unerhörten Organisation. Außerdem sind es drei verschiedene Fototypen: Der eine machte Polaroids – das ist Lynch –, der zweite entwickelte seine Fotos selbst, und alle anderen Fotos wurden mit einer Digitalkamera aufgenommen. Die Daten überschneiden sich, es kann nicht ein und derselbe Kerl sein, der noch dazu ständig seine Vorgehensweise ändert; es sind mindestens zwei weitere Personen neben Lynch. Und nicht zu vergessen dieser Satz von Bob auf der Karte: ›Du musst lernen, zu werden wie wir.‹«
    »Trotzdem eine völlig verrückte Geschichte!«, rief Brett Cahill. »Wer genau ist dieser Bob? Der Guru einer Sekte?«
    »Etwas in der Art, ja«, erwiderte Thayer.
    »Und dieses komische Gebet auf Latein? Der Caliban, von dem da die Rede ist, wer soll das sein?«, bohrte Cahill weiter.
    Annabel rang resigniert die Hände.
    »Wenn wir das wüssten! Es könnte eine Art Wahlspruch sein. Caliban stellt ein Konzept dar, eine Gottheit, die sie erfunden haben. Vielleicht ist es aber auch ein anderer Name von Bob. ›Caliban ist unser Herr, in uns ist das Leben, denn das Fleisch leuchtet in der Dunkelheit‹.«
    Auf diese Beschwörungsformel folgte kurzes Schweigen. Brett Cahill wandte sich wieder den Fotos zu.
    »Ganz schön eindrucksvoll, diese Wand, was?«, meinte Thayer nach einer Weile.
    Cahill antwortete nicht.
    »Ich nenne sie die Gehenna-Wand«, fuhr Thayer fort. »Das ist die frühjüdisch-neutestamentliche Bezeichnung der Hölle. Sie ist jetzt den dritten Tag hier, und ich muss zugeben, dass sie mir immer noch das gleiche Grauen einflößt wie am ersten.«
    Cahill stand so dicht vor der Wand, dass er die Fotos fast mit der Nase berührte.
    »Glauben Sie, die entführen diese Menschen mit einem bestimmten Ziel, oder sind sie einfach nur verrückt«, wollte er wissen. »Ich verstehe nicht, was ihnen das bringt, es gibt keine Lösegeldforderungen, und wir haben nur zwei Leichen gefunden. Was machen sie mit denen, verdammt?«
    »Das ist hier die Frage«, rief Thayer halb theatralisch, halb zynisch.
    Cahill deutete auf das Datum unter dem Porträt einer verängstigten Frau.
    »Mein Gott, die ist jetzt schon seit acht Monaten verschwunden.«
    Sein Zeigefinger strich immer wieder über das Gesicht, als wollte er die Frau trösten.
    »Stellen Sie sich nur für zwei Sekunden vor, dass all diese Menschen vielleicht noch am Leben sind. Dass diese Frau seit acht Monaten irgendwo eingesperrt ist.«
    Annabel atmete schwer. Ich glaube es nicht. Ich hoffe es nicht – für sie.
    Niemand mochte sich das vorstellen, und alle machten sich wieder an die Arbeit.
    Brett Cahill verbrachte einen Großteil des Nachmittags damit, die Dossiers der identifizierten Opfer durchzugehen und die Informationen zu lesen, die bisher zusammengetragen worden waren. Dann stellte er sich vor die »Gehenna-Wand«, um die Züge der Betroffenen eingehend zu studieren. Er verband das Gelesene mit dem Gesicht, kehrte an seinen Tisch zurück, ging zum nächsten Opfer über, um dann dessen Persönlichkeit in sich aufzunehmen – und so weiter, bis er alle identifizierten Personen durchgegangen war. Die Persönlichkeiten all derer, die man hatte identifizieren können.
    Annabel und Thayer stellten möglichst detaillierte Dossiers zu den beiden Mithäftlingen von Spencer Lynch zusammen. Papierkram, lange Telefonate, Abgleich mit verschiedenen Datenbanken – all das, was Annabel an

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