Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
Vom Netzwerk:
Skeletten hatte die ranzige Signatur verdorbenen Fleisches hinterlassen.
    Brolin zwang sich, durch den Mund zu atmen, und trat in einen Raum mit höherer Decke, in dem Dutzende von Tierhälften an Haken hingen. Auch hier kein einziges Fenster, als würde man diese Opferstätte lieber verbergen. Als er diese riesige Halle sah, die vielen Schneidemaschinen, das Labyrinth von Abflussrinnen im Boden und all diese Tische, dunkel von Blut, fragte sich Brolin, wie viele Tiere hier wohl jeden Tag durchgeschleust wurden. Er stellte sich plötzlich die Tötungsboxen vor, wo die Tiere per Stromschlag oder Bolzenschuss betäubt und dann ausgeblutet wurden, und obwohl er gerne ein saftiges Steak aß, verging ihm der Appetit auf Fleisch. Er sah einen Mann, der gerade dabei war, Mengen einer glibberigen Masse, die Eingeweiden ähnelten, in ein Plastikfass zu kippen, und tippte ihm auf die Schulter.
    »Entschuldigen Sie, könnte ich vielleicht Lucas Shapiro sprechen? Ich bin Privatdetektiv.«
    Der Angesprochene deutete auf den hinteren Teil des Saals, wo ein Mann mit breiten Schultern in einem großen Becken Metallinstrumente abspülte. Brolin trat auf ihn zu. Shapiro war blond mit Stirnglatze und der Statur eines Footballspielers. Brolin fielen sofort seine Schuhsohlen auf: kleine rote Fetzen hingen daran und baumelten bei jedem seiner Schritte herum. Haut, Fett und Fleisch, alles war vertreten. Er zwang sich, woanders hinzusehen und sich auf das Ziel seines Besuchs zu konzentrieren.
    »Lucas Shapiro?«
    Der Mann drehte Brolin ein unrasiertes Gesicht mit eckigem Kinn und buschigen Augenbrauen zu. Er musste um die fünfunddreißig sein. Er war von Rinderhälften umgeben, die sich sanft wie zu einem Totentanz drehten.
    »Was?«
    Brolin zeigte ihm seinen Ausweis.
    »Ich bin Privatdetektiv; hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?«
    Shapiro wischte sich die Hände an seiner Schürze ab.
    »Privatdetektiv? Was soll der Quatsch nun wieder?«
    Zwischen seinen wulstigen Lippen wurden ein Schneide- und ein halb abgebrochener Eckzahn sichtbar.
    »Ich bin auf der Suche nach einer vermissten jungen Frau. Diese Sache hat etwas mit Spencer Lynch zu tun. Den kennen Sie doch, oder?«
    Shapiro hob die Augen zur Decke.
    »Hören Sie, ich hab früher mal Mist gebaut – und dafür bezahlt. Jetzt bin ich ein rechtschaffener Typ. Ich hab mein Geschäft aufgebaut, ich schufte wie ein Bekloppter, um die Sache am Laufen zu halten. Jetzt kommen Sie mir nicht mit diesem Zeug, das ist aus und vorbei, ich habe diesen Mist vergessen.«
    Shapiro besaß keine Spur von Charme. Seine Züge waren grob, und seine vor langem gebrochene Nase zeigte nach links.
    »Verstehe, ich wollte Ihnen nur ein paar Fragen über Spencer Lynch stellen, mehr nicht, das dauert höchstens fünf Minuten.«
    Shapiro biss vor Wut die Zähne zusammen, so dass seine Wangen zuckten. Choleriker, leicht aufbrausend, dachte Brolin.
    »He, ich hab mich doch klar ausgedrückt, oder? Das ist tiefste Vergangenheit für mich, kapiert? Also verschwinden Sie.«
    Als er den kalten Blick von Shapiro sah und die Muskeln, die unter seiner Schürze spielten, erinnerte sich Brolin daran, dass er einem Mann mit umfangreichem Strafregister gegenüberstand, der eine Frau überfallen und vergewaltigt hatte. Unbändiger Zorn steckte in diesem Körper, also sollte man ihn lieber nicht provozieren. Shapiro hatte vielleicht für seine Taten bezahlt, wie er sagte, er blieb aber trotzdem gefährlich, wenn man ihn reizte.
    Brolin bereitete sich auf den Rückzug vor, sah Shapiro dabei aber fest in die Augen. Er sprach jedes Wort langsam und betont aus, legte dazwischen Pausen ein, damit sich der Sinn einen Weg in Shapiros Gehirn bahnen konnte.
    »Das Mädchen, das ich suche, ist noch keine zwanzig Jahre alt und wird vielleicht sterben.«
    Das war einfach, das war knapp. Doch selbst ein Typ wie Shapiro hatte Gefühle.
    Die Rinderhälften rings um die beiden Männer glänzten, das rote Fleisch und die Knochen reflektierten das Licht der Deckenlampen.
    Brolin trat einen Schritt zurück. Er sah unzählige kleine Funken im Blick des stämmigen Kerls aufleuchten, während er angestrengt und blitzschnell nachdachte. Schließlich neigte er den Kopf, starrte Brolin an, und alles in seinem Gesicht sagte: Okay, mein Junge, ich helfe dir, doch ich tue es nur für diese Kleine, nicht für dich und deine idiotischen Strategien!
    »Spencer war ein Arschloch.«
    Jedem seine Einführung, dachte Brolin.
    »Hatte er zu

Weitere Kostenlose Bücher