Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
Vom Netzwerk:
anfängliche Meinung über seinen Gesprächspartner und wartete dann, bis sich etwas Aufrichtiges beim anderen bemerkbar machte, ein Blick, ein Gesichtsausdruck, und dann hielt er diesen Moment in seinem Gedächtnis fest. Wenn er später an diese Person zurückdachte, hatte er dieses Bild vor Augen, einen Anschein von Ehrlichkeit, eine Identität, die weniger vom Lack verdeckt war.
    Er hatte ein besonders deutliches Bild von Shapiro.
    Er beglückwünschte sich dazu und verließ rasch diese Todesfabrik. Nach zehnminütigem Fußmarsch hatte er die U-Bahn-Station an der 7th Avenue erreicht, fuhr zur Penn Station und stieg dort in einen Bus nach Newark. Er musste dringend Megan Faulet, der Schwester von Rachel, sowie Sheriff Murdoch einen Besuch abstatten.
    In New Jersey einen Mietwagen zu nehmen hatte zwei Vorteile: Zum einen sind hier die Steuern niedriger, zum anderen vermeidet man so die Verkehrsengpässe beim Verlassen von Manhattan. Brolin begab sich zum Flughafen von Newark mit seinen vielen Autoverleihfirmen und hatte innerhalb einer Stunde Phillipsburg erreicht.
    Megan Faulet, fünfundzwanzig Jahre, hatte einen Blutschwamm auf der Stirn, der sie um den Titel »Schönheit« brachte, auf den sie ansonsten Anspruch gehabt hätte. Sie befand sich in einem Zustand äußerster Nervosität und war seit dem Verschwinden ihrer Schwester in therapeutischer Behandlung. Sie konnte dem Privatdetektiv nichts Besonderes mitteilen. Rachel hatte knapp drei Wochen bei ihr verbracht, um zu einer Entscheidung zu kommen, ob sie das Kind behalten sollte oder nicht. Eine sehr kurze Frist, wenn man an die Folgen dachte, die ein solcher Entschluss für das ganze Leben haben würde. Megan hatte sie vielen ihrer Freunde vorgestellt, damit sie darüber sprechen konnte: vom Arzt bis hin zum Philosophieprofessor – eine ganze Reihe von Beratern mit ebenso unterschiedlichen wie zutreffenden Ansichten. Am Wochenende ihrer Entführung wollte Rachel sich entscheiden.
    Brolin bat, das Pferd sehen zu dürfen, auf dem das junge Mädchen ihren letzten Ausritt gemacht hatte, konnte aber nichts Ungewöhnliches feststellen.
    Auch der Besuch bei Sheriff Murdoch brachte keine neuen Erkenntnisse. Der Sheriff war eine imposante Erscheinung. Er sei früher Footballspieler gewesen, gestand er Brolin, und habe jetzt, da er auf die vierzig zuging, eine Neigung für die Tafelfreuden entwickelt, die sich deutlich auf sein Gewicht ausgewirkt habe. Während er das erzählte, strich er über seinen Bauch, der über seinen Gürtel zu hängen begann.
    Natürlich hatte er eine Untersuchung eingeleitet, die er persönlich übernommen hatte, doch es gab keinen einzigen Zeugen. An einem Sonntagnachmittag, als es zu schneien drohte und sich nur wenig Menschen vor die Tür gewagt hatten, war Rachel im Wald ausgeritten. Das war jetzt schon fast zehn Tage her. Sheriff Murdoch war besonders betroffen, was den Fall Faulet anging, da er die Schwester kannte, ja, mit ihr befreundet war. Er gab sich alle erdenkliche Mühe, auch nur die geringste Spur zu finden. Leider ohne Erfolg. Er versprach, Brolin sofort zu informieren, falls es etwas Neues gäbe, und sie verabschiedeten sich mit einem kräftigen Händedruck.
    Brolin hatte eben das Büro des Sheriffs verlassen, als sein Handy klingelte. Er nahm das Gespräch entgegen.
    »Mister Brolin … Es ist wichtig, ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte eine zitternde Stimme.
    Joshua erkannte sofort die Identität des Anrufers.
    Es war Pater Franklin-Lewitt.

22
    Die beiden Detectives aus Brooklyn saßen vor einem lackierten Paravent, verziert mit chinesischen Schriftzeichen. Unter Annabels ungläubigem Blick schob sich Brett Cahill mit seinen Stäbchen Unmengen von Reis in den Mund.
    »Beim Asiaten könnte ich mich dumm und dämlich fressen!«, erklärte er, nachdem er geschluckt hatte. »Das war schon an der Uni so. Mittags habe ich oft bei einem Freund gegessen, dessen Mutter einen kleinen vietnamesischen Imbiss hatte – irre gut!«
    Sie waren noch in Larchmont und gönnten sich eine kurze Pause in einem kleinen Restaurant im Stadtzentrum.
    Die Tür öffnete sich, und Jack Thayer trat ein. »Ich habe gerade mit Attwel gesprochen. Sie sind mit der Identifizierung der Personen auf den Fotos fast fertig, stramme Leistung. Jetzt untersuchen sie die Akten, die die jeweiligen Polizeidienststellen nach der Vermisstenmeldung angelegt haben.«
    Thayer bestellte dasselbe Gericht, Huhn mit Ananas, wie die beiden anderen. Während des Essens

Weitere Kostenlose Bücher