in China
abgewetzten Jeans und Joggingschuhen wirkte er hier fehl am Platze.
Sobald er vor ihnen stand, sagte er: »Ich habe schon gefrühstückt, und ich gehe jetzt. Mein Name ist Peter Fox.« Er sah sie der Reihe nach an, nickte ihnen zu, murmelte, »bis später dann«, und hatte sich schon verdrückt, bevor jemand auch nur ein Wort darauf erwidern konnte.
Ein komischer Kauz, dachte Mrs. Pollifax erschrocken und starrte ihm nach. Sie überlegte, ob seine feindselige Haltung wohl auf die anderen abfärben würde. Sie empfand es auch als sehr unhöflich, daß er die ganze Zeit in ihrer Nähe gesessen und sie beobachtet hatte, ohne sich selbst zu erkennen zu geben. Doch sie würde sie ja alle noch einer genaueren Prüfung unterziehen müssen. Nach einem Blick auf ihre Uhr verabschiedete sie sich. Immerhin hatte sie schon sechs der Gruppenreisenden kennengelernt, wenn auch nur oberflächlich.
Dieser Peter Fox erschien ihr verdächtig. Ihn würde sie besonders gründlich unter die Lupe nehmen müssen. Einmal, ganz abgesehen von ihrem Auftrag, war sie furchtbar neugierig darauf, was ihn - anscheinend gegen seinen Willen - hierhergeführt hatte.
Am Bahnhof eine riesige Menschenmenge, in Zehnerreihen rings um das Gebäude, oder so schien es zumindest. George Westrum verglich den Bahnhof mit einem Baseballstadion, das von Fans umlagert war. Von Miß Chu und Mr. Li angeführt und geleitet, kämpften sie sich zu einer nicht ganz so langen Menschenschlange im Innern des Gebäudes durch. Dort warteten sie in Reih und Glied mit Familien mit Fächern in der Hand und schweren Netzen mit Lebensmitteln. Sie wollten Verwandte in Kanton besuchen.
»Sicher erste Klasse«, murmelte George Westrum hinter ihr.
»In einer klassenlosen Gesellschaft?« fragte Mrs. Pollifax erstaunt.
Er zwinkerte ihr wieder zu. Diesmal war sie sich ganz sicher.
»Das ist eine Frage der Semantik«, erklärte er ihr. »Man nennt das hier einfach weiche Sitze im Gegensatz zu den harten Sitzen für die Massen da draußen.«
»Ich nehme an, Sie waren schon in China.«
»Ich lese viel«, entgegnete er.
Lächelnd fragte sie: »Was halten Sie denn von dem Reiseleiter, der eben zu uns gestoßen ist und uns durch China begleiten soll?«
»Mr. Li? Jung und tüchtig. Wenn man ihn in westliche Kleidung stecken würde, könnte er überall als leitender Angestellter arbeiten. IBM oder etwas in der Art.«
Sie mußte lachen. Obwohl Mr. Li mehr als bescheiden gekleidet war, waren auch ihr seine Führungsqualitäten sofort aufgefallen. Aber vielleicht war er gar nicht so bescheiden gekleidet, dachte sie, sah sich um und verglich seine Kleidung mit einer der vielen Chinesen ringsum. Seine Sandalen waren aus Leder und nicht aus Plastik. Er trug schwarze
Seidensocken mit einem winzigkleinen Uhrenmuster. Am Handgelenk trug er eine
Digitaluhr. Nur sein Englisch machte ihr zu schaffen. Er sprach es begeistert und unglaublich schnell. Am Ende eines jeden Satzes schüttelte er sich vor Lachen.
Plötzlich setzten sich die Massen in Bewegung, und sie erreichten den Zug. Dort nahmen sie Abschied von Miß Chu und bestiegen den Waggon, der ihnen zugewiesen wurde. Bald sollte es über die Lo-Wu-Brücke aufs Festland und nach China gehen. Mrs. Pollifax stieg als letzte ein und setzte sich neben Peter Fox, der ihr von der Seite einen raschen, gelangweilten Blick zuwarf. Sie achtete gar nicht darauf, sondern wußte sich vor Staunen über die gestärkten Spitzenvorhänge an den Fenstern und das blaßblaue Dekor kaum zu fassen. Alles war untadelig und vor allem makellos sauber. Kaum hatten sie alle Platz genommen, da erschien von irgendwoher eine junge Frau und fuhr mit einem feuchten Aufnehmer durch den Gang, um alle Fußspuren zu beseitigen. Musik erklang. Über der Tür befand sich ein kleines Fernsehgerät, das wie durch Zauberhand ganz plötzlich anging. Der Zug setzte sich in Bewegung. Die Gestalten auf dem Bildschirm taten es ihm gleich. Eine glücklich lächelnde junge Frau sang in einem schrillen Singsang ein chinesisches Lied. Ein gutaussehender junger Mann gesellte sich zu ihr und versuchte den Zuschauern mit weitausholenden Gesten und einem noch strahlenderem Lächeln zu suggerieren, daß sie in China die Glückseligkeit erwartete. Mrs. Pollifax starrte fasziniert auf den Bildschirm, doch bald fiel ihr Blick auf das undurchdringliche Gesicht von Peter Fox und an ihm vorbei auf die üppige grüne Landschaft, die draußen vorbeiglitt.
Der steinerne Gesichtsausdruck ihres
Weitere Kostenlose Bücher