in China
Nachbarn brachte sie in Rage. »Aufgeregt?« fragte sie Peter Fox ironisch.
Er wandte sich ihr zu und sah sie abschätzend an. »Halb und halb«, erwiderte er
achselzuckend.
Mrs. Pollifax war immer sehr direkt. Solche unklaren Antworten lagen ihr nicht. »Warum sind Sie dann hierhergekommen?« fragte sie. »Weshalb haben Sie sich ausgerechnet für China entschieden?«
»Habe ich ja gar nicht«, erwiderte er.
Langsam fand Mrs. Pollifax Gefallen an diesem Wortgeplänkel. »Sie haben mit einer solchen Duldermiene dagesessen«, sagte sie, und genoß das Spielchen immer mehr, »daß meine nächste Frage natürlich lautet: weshalb und zu welchem Zweck?«
Doch ihm mißfiel das Spielchen offenbar. Er sträubte sich dagegen. »Ich wollte nicht den Eindruck eines Märtyrers erwecken«, brummte er todernst und runzelte die Stirn. »Ich weiß noch nicht, ob es mir gefallen wird. Meine Großmutter hat mir die Reise als Belohnung für das Abschlußexamen am College geschenkt.«
»Ach so«, sagte Mrs. Pollifax. »Dann ist sie auf China verfallen.«
Er nickte. »Sie ist hier geboren und hat die ersten dreizehn Jahre ihres Lebens hier verbracht.
Deshalb mußte es unbedingt China sein.«
»Aber nur für Sie und nicht für Ihre Großmutter?«
Er erklärte achselzuckend. »Sie ist seit acht Jahren an den Rollstuhl gefesselt.«
»Oh, das tut mir leid. Sie hatten also keine andere Wahl«, meinte sie nachdenklich. Bei näherem Hinsehen fiel ihr auf, daß er durchscheinend blaß war. Das wurde noch durch seine viel zu schweren dunklen Augenbrauen unterstrichen. Wenn er die Stirn runzelte und die Augenbrauen zusammenzog, wie eben jetzt, beherrschten sie das Gesicht mit den hohen Backenknochen und dem störrischen Kinn.
»Ich bin überhaupt noch nicht gereist«, fügte er
achselzuckend hinzu. »Und gleich mit China anzufangen, ist doch sehr gewagt. Ich meine, ich bin noch kaum in den Vereinigten Staaten herumgekommen, von Europa ganz zu
schweigen. Und damit macht man doch meistens den Anfang. Sie waren doch bestimmt
schon in Europa?« fragte er mißtrauisch.
»Ja, hin und wieder«, erklärte sie vage. Sein undurchdringlicher Gesichtsausdruck gefiel ihr nicht. Ganz impulsiv fragte sie ihn: »Läche ln Sie eigentlich nie?«
Er wandte sich ihr zu und sah sie so forschend und eindringlich an, daß sie zurückschreckte.
Offensichtlich amüsierte er sich über sie. »Muß das denn sein?« erkundigte er sich.
Wie feindselig der Bursche ist, dachte Mrs. Pollifax. »Ich habe mich auch schon gefragt, wie alt Sie wohl sind«, meinte sie lächelnd. »Schon wieder eine unverschämte Frage.«
»Ich bin zweiundzwanzig«, meinte er trocken.
Malcolm Styles, der vor ihnen saß, wandte sich um und sagte: »Ich habe das gerade mitbekommen. Ich sitze neben Jenny, die fünfundzwanzig ist. Sollen wir nicht die Plätze tauschen und die jungen Leute sich selbst überlassen?«
Da tauchte Jennys pikiertes Gesicht neben ihm auf. »Das hört sich an, als wären wir noch Kinder«, entrüstete sie sich.« Wir könnten doch einfach die eine Bank herumklappen, dann sitzen wir uns gegenüber.«
»Aber dann sehen Sie nicht mehr so gut.«
»Ich kann ganz gut eine Weile rückwärts fahren. Da entgeht mir nicht viel. Peter, wo in China ist denn Ihre Großmutter geboren?«
Da griff er in seinen Kleidersack und zog eine kleine zerknitterte Karte heraus. »Gegen Ende der Tour sind wir ganz in der Nähe. Ich habe mir sagen lassen, daß unser Reiseleiter einen kleinen Abstecher arrangieren kann. Da könnte ich Fotos machen. Es ist ein kleines Dorf in der Nähe von Datong.« Er reichte ihr die Karte und zeigte ihr die Stadt. »Gar nicht weit von Beijing.«
Malcolm fragte freundlich: »Wie war es damals dort? Ich hoffe, daß wir alle dort
hinkommen.«
»Kriegsherren«, sagte Peter nur und nickte nachdenklich. Nach einer Weile fuhr er fort: »Na ja, wahrscheinlich ist es wirklich interessant, einmal festzustellen, wie sich die Dinge seitdem entwickelt haben. Es ist auf jeden Fall besser als nur darüber zu lesen. Mein Urgroßvater war Arzt und Missionar, Sie müssen hier schreckliche Dinge erlebt und mitangesehen haben.
Dürreperioden, Hungersnöte, Konfiszierung, wenn jemand die Steuern nicht mehr zahlen konnte, und natürlich Seuchen.«
»Nach allem was man so hört, haben sie sogar die Fliegen ausgerottet«, sagte Malcolm.
»Unglückseligerweise sind sie gegen Dürreperioden, Überschwemmungen und Erdbeben
eigentlich noch immer machtlos. Wie steht es
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