in China
recht«, gab Mrs. Pollifax ungeniert zu.
»Verdammt!« sagte Iris, jedoch ohne Groll. »Ich hätte wissen müssen, daß Suzie da nicht zu trauen ist. Sie ist Go go Girl und der einzige Mensch, den ich kenne, der schon viel gereist ist.
Sie war schon in der Karibik und auf den Bermudas. Deshalb habe ich ihr die Kleiderwahl überlassen.«
»Einem Go go Girl bin ich noch nie begegnet«, meinte, Mrs. Pollifax nachdenklich.
»Wirklich nicht?« Iris schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Ich sollte wirklich besser den Mund halten, aber da Sie noch nie einer über den Weg gelaufen sind, will ich Ihnen verraten, daß Sie gerade mit einer sprechen. Kaum zu glauben, nicht, wo ich doch so ungeschickt bin; aber wenn ich tanze, bin ich ein ganz anderer Mensch. Und woher sollte ich sonst Suzie kennen?« meinte sie freimütig. »Drei Jahre lang war das ein Ganztagsjob für mich. Als ich dann aufs College ging, habe ich nur noch stundenweise gearbeitet, und vor einem Monat habe ich mein Abschlußexamen gemacht.«
»Vorigen Monat sind Sie also erst vom College abgegangen«, wiederholte Mrs. Pollifax. Ihr Instinkt hatte sie nicht getäuscht. Iris standen alle Möglichkeiten offen.
»Ich bin erst mit achtundzwanzig aufs College gegangen«, berichtete Iris stolz. »Ich mußte eine Aufnahmeprüfung machen, weil ich nicht mal einen High-School-Abschluß hatte.
Wahrscheinlich hat kein Mensch je von diesem College gehört, aber für mich war es genau das richtige. Zufällig hatte ich auch ein Jahr lang einen Kursus über China belegt und bekam als einzige die allerbeste Note. Deshalb entschied ich mich nach China zu reisen und nicht nach London und Paris. Ich habe Suzie natürlich ve rsichert, daß ich da keine Männer kennenlernen und auch nicht auf Cocktail Partys gehen würde, aber sie hat nur gesagt:
›Warum überhaupt reisen, wenn es das nicht gibt?‹«
»Ja, warum wohl?« sagte Mrs. Pollifax. Sie war fasziniert.
»Ich habe sie daran erinnert, daß ich Männer ganz bestimmt nicht brauche. Schließlich war ich oft genug verheiratet. Aber Suzie...«
»Oft genug verheiratet?« wiederholte Mrs. Pollifax, die aus dem Staunen nicht mehr herauskam.
Iris nickte. »Mit sechzehn habe ich einen Cowboy geheiratete. Das war Mike. Dann kam Stanley, ein richtiger Gauner, wie sich bald herausstellte - und schließlich Orris. Der ist auf Öl gestoßen, da war ich ihm nicht mehr fein genug. Trotzdem war er nicht übel und hat mir auch eine ordentliche Abfindung gezahlt, bevor er sich aus dem Staub gemacht hat. Ich bin vielleicht dämlich, was Kleider angeht, aber nicht, wenn es um Geld geht. Jedenfalls hatte ich danach die Nase voll und habe beschlossen, ein neues Leben anzufangen.«
»Ja«, sagte Mrs. Pollifax und wartete gespannt.
»Ich meine«, fuhr Iris voller Eifer fort »wir lassen immer zu, daß Männer über uns bestimmen, habe ich nicht recht? Als ich noch aufs College ging, habe ich ab und zu an einem Treffen teilgenommen, bei dem es um die Befreiung der Frau ging. Da wurde mir erst richtig klar, was aus mir geworden war. Während meiner Ehe mit Mike habe ich ständig Frankfurter Würstchen und Bohnen gegessen und als Kellnerin gearbeitet. Bei Stanley mußte ich den Mund halten und die Augen vor all den krummen Dingen, die er gedreht hatte, verschließen. ›Halt den Mund‹, hat er immer geknurrt. Mit Orris mußte ich in einem Wohnwagen von Ölfeld zu Ölfeld ziehen und als Go go-Tänzerin arbeiten, bis er auf Öl gestoßen war. Und soll ich Ihnen mal was sagen?« fügte sie hinzu. Als sie sich vertraulich vorbeugte, fiel ihr das dichte Haar ins Gesicht. Mit einem Ruck ihres Kopfes warf sie es zurück. »All das habe ich nur den Männern zu Gefallen getan. Mir war damit nicht gedient.«
»Ich verstehe das sehr gut und weiß, was Sie daran stört«, erklärte Mrs. Pollifax. Sie staunte über den leidenschaftlichen Eifer, mit dem Iris sich gegen all das zur Wehr setzte.
»Und jetzt lasse ich mich von Suzie zu Dingen überreden, die ich gar nicht will«, sagte sie mit einem verlegenen Blick auf ihr großgepunktetes Kleid mit dem steifen, weißen Kragen.
»Was glauben Sie, ob es in Kanton wohl Kleider zu kaufen gibt?«
»Das schon, aber Kleider wie sie die Chinesinnen tragen.«
Iris runzelte die Stirn. »Dafür bin ich viel zu groß. Ich bin fast einen Meter achtzig.«
»Haben Sie denn gar nichts Legeres mitgenommen?«
»In der letzten Minute habe ich noch ein Paar uralte Jeans in den Koffer gestopft - etwas Altes und
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