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in China

in China

Titel: in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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erzählt, er hätte noch eine Menge Post zu erledigen.«
    Es paßte Jenny ganz und gar nicht, daß Mrs. Pollifax für ihn Partei ergriff. Sie sah verärgert auf und murmelte: »Ja, dann...«
    Sie mußte sich geschlagen geben. Mrs. Pollifax fand, daß es sehr geschickt von Peter war, sich während der ersten Tage der Reise sozusagen mit Jenny zu tarnen. Doch das wirkte sich allmählich wie ein Bumerang aus. Er konnte sich ihrer kaum noch erwehren. Jenny sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Sie nahm es sich sehr zu Herzen, daß er sich nun wieder zurückzog. Ein sonderbares Mädchen, dachte sie und fragte sich, was wohl der Grund für Jennys Hang war, alles zu dramatisieren.
    Das Land zu beiden Seiten der Straße war eben und leer, der Boden war steinig - doch hin und wieder gerieten Dinge in ihr Blickfeld, mit denen sie hier nicht gerechnet hatte: Bahngeleise und Güterwagen, die mit zerstoßenem Gestein beladen wurden, Arbeiter mit Staubmasken vor dem Gesicht gingen am Straßenrand entlang. Dann ganz plötzlich inmitten dieser Einöde ein Wasserbecken, das von Abflüssen aus den Bergen gespeist wurde und das heiße trockene Land wie ein blau schimmernder Edelstein verschönte.
    Nachdem sie mehrere Stunden gefahren waren, hielt der Kleinbus an einem flachen
    Bewässerungsgraben, und Mr. Li zauberte Luckey Kolas für sie alle hervor. Dann ging es weiter durch das Koko Valley und hinunter in die Turfan-Senke. Sie durchführen ein nicht endenwollendes Tal mit grauer Schlacke. Die einzigen Spuren menschlicher Zivilisation waren die sich durch das Tal windende Bahnlinie und die Überlandleitungen. Allmählich hatten sie den Eindruck, sich an einem grauen Strand zu befinden, der ein lichtloses graues Meer säumte.
    »Richtig prähistorisch«, meinte Malcolm. Er verließ seinen Platz und setzte sich neben Mrs.
    Pollifax. »Ich hoffe, daß Sie inzwischen auch keine Lust mehr haben, immer nur Ihren Gedanken nachzuhängen. Haben Sie Lust, sich ein Weilchen mit mir zu unterhalten?«
    Sie nickte lächelnd. »Ja. Manchmal muß man ganz für sich sein, und dann wieder ist einem nach Gesellschaft zumute.« Bei sich fügte sie hinzu: Es wird auch langsam Zeit, daß ich aufhöre, mir Sorgen zu machen.
    Malcolm sagte leichthin: »Bei mir stelle ich fest, daß ich mich allzuleicht der
    Gruppenmentalität beuge. Das hat so etwas Anheimelndes, geradezu Hypnotisches. Man fühlt sich so geborgen wie ein Schaf inmitten seiner Herde.«
    »Und nachdem Sie sich ein Weilchen innerlich distanziert oder absentiert haben, ist Ihnen wieder nach menschlicher Gesellschaft zumute, stimmt es?«
    »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Bei Ihnen habe ich übrigens nicht das Gefühl, daß Sie ein Herdentier beziehungsweise ein Gruppenmensch sind, obwohl Sie sich sehr gut in eine Gemeinschaft einzufügen wissen. George Westrum zum Beispiel is t ein Herdentier durch und durch, was wohl vor allem daran liegt, daß er nicht fähig ist, eigenständige Gedanken zu entwickeln, und sich in seiner eigenen Gesellschaft zu Tode langweilt.«
    Mrs. Pollifax betrachtete ihn amüsiert. »Sie gehen ja sehr streng mit ihm ins Gericht.«
    Malcolm erklärte ihr das, indem er berichtete: »Er hat Iris erklärt, wie man Mastochsen schlachtet und auf den Markt bringt. Nicht einmal einen Diskurs über Profit und Verlust hat er sich verkneifen können. Er sitzt genau hinter mir, deshalb bekomme ich jedes Wort mit, ob ich will oder nicht. Ich wette, er hat noch nicht einen Blick aus dem Fenster geworfen. Wie es draußen aussieht, interessiert ihn nicht.«
    »Wie würden Sie denn Joe Forbes charakterisieren?« erkundigte sie sich.
    Malcolm lächelte. »Er ist nicht der Einzelgänger, für den ich ihn anfänglich gehalten habe. Er versucht ständig, sich bei allen einzuschmeicheln und lieb Kind zu machen, er lächelt unentwegt und ist leider Gottes wild entschlossen, sein Chinesisch an sämtlichen Reiseleitern auszuprobieren. Um sich beliebt zu machen, ist ihm jedes Mittel recht.«
    Mrs. Pollifax fand seine markigen Kommentare fast so aufschlußreich wie es die von Cyrus höchstwahrscheinlich gewesen wären, hätte man ihn darum gebeten, ein Urteil über die einzelnen Reiseteilnehmer abzugeben. »Und was halten Sie von Iris?« erkundigte sie sich.
    Ungeduldig wehrte er die Frage mit einer Handbewegung ab. »Iris ist ganz einfach Iris.«
    »Und was bedeutet das?«
    Da lächelte er und runzelte zugleich die Stirn. »Sie ist ein Original, ganz einfach und

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