in China
Nüsse und ein Netz, in dem sie alles tragen konnte.
Für sich selbst erstand sie ein Paar Leinenschuhe und ein Kopftuch. Sie wollte auch noch Trauben kaufen, da wurde ihr plötzlich ganz schwindlig, und alles drehte sich um sie. Das muß an dieser Hitze liegen, sagte sie sich. Eine merkwürdige Hitze; denn die Sonne schien nur matt. Hilfesuchend sah sie den Mann an, bei dem sie gerade die Rosinen gekauft hatte. Er saß unter einer Plane und trug ein weißes Seidenkäppchen. Sein Gesicht lag im Schatten. Ihr Blick mußte ihm wohl verraten haben, wie elend sie sich fühlte; denn er sprang
augenblicklich auf, griff nach ihrem Arm und zog sie auf die Kiste im Schatten der Plane, auf der er gesessen hatte. Mrs. Pollifax lächelte dankbar. Er bot ihr Wasser an, doch sie schüttelte den Kopf, eingedenk der Warnung, daß es meistens nicht abgekocht war. Ein Stückchen weiter sprach Peter auf einen jungen Chinesen ein, der offenbar begeistert sein Englisch an ihm ausprobierte. George Westrum machte Fotos von den aneinandergereihten Karren mit den Gummirädern, die mit Hilfe von Planen, Stellagen und Kisten in Verkaufsstände umfunktioniert worden waren. Iris hatte den Bewässerungsgraben überquert und versuchte sich einem Wasserbüffel zu nähern, der auf der Bildfläche erschienen war.
Mrs. Pollifax' mitfühlender Freund bot ihr immer dringlicher Wasser an. Da sie sich nicht umstimmen ließ, nahm er sein Käppchen ab und tat, als wolle er Wasser darüber und hinein gießen. »Ach so!« rief sie und begriff nun, was er meinte. Sie zog das Kopftuch aus der Tasche, das sie gerade erstanden hatte. Er nickte erfreut. Sie hielt es ihm hin, und er schüttete Wasser darüber. Sie legte es sich auf den Kopf. Es kühlte herrlich. Sie gestikulierte und bedankte sich überschwenglich bei dem Mann.
»Schlimm, nicht?« meinte Peter und trat zu ihr. »Hören Sie, ich möchte Sie meinem neuen Freund da drüben vorstellen. Er spricht ein wenig englisch, und ich habe einen Handel mit ihm vor, der Sie miteinschließt. Er hängt sogar von Ihnen ab!«
»Was, von mir?« rief sie verwundert aus und trat unter der Plane hervor. Sofort bekam sie die Glut der Sonne zu spüren und zog sich eiligst wieder in den Schatten zurück. »Peter... «
Doch der sagte gerade zu dem jungen Mann: »Sheng Ti, das ist meine Großmutter.«
Mrs. Pollifax sah Peter vorwurfsvoll an. »Etwas Besseres ist Ihnen wohl nicht eingefallen?«
»Ah, ja!« schrie Sheng Ti, verneigte sich vor ihr und lächelte.
Sie betrachtete ihn interessiert. Sein Gesicht stand in einem seltsamen Gegensatz zu seiner schäbigen unansehnlichen Kleidung: ordentlich geflickte Hosen, ein verschwitztes, schmutzstarrendes Unterhemd und mit einem Stückchen Schnur zusammengehaltene
Sandalen. Doch seine Augen, ja sein ganzes Gesicht strahlten förmlich vor Klugheit und Eifer.
»Wollen Sie das für uns tun - jetzt wo Sie meine Großmutter kennengelernt haben?« fragte Peter den jungen Chinesen. »Um die Wette zu gewinnen?«
»Wette, ja. Für die alte Dame, ja, ich jetzt verstehen.« Er nickte heftig.
»Also gut. Dann vor dem Gästehaus. Warten Sie an der Straßenecke auf uns, ja? Streng geheim. Um zehn Uhr heute abend.« Peter drückte dem jungen Mann eine Handvoll Münzen in die Hand. »Nicht vergessen, um zehn Uhr, Sheng Ti«, wiederholte er und hielt beide Hände mit gespreizten Fingern hoch.
»Zehn Uhr, ja«, sagte Sheng Ti.
Peter nahm sie am Arm und führte sie fort. Mrs. Pollifax sah sich noch einmal um und fragte dann: »Peter, was um alles in der Welt soll denn das bedeuten?«
»Er wollte mir den Gefallen nicht tun«, berichtete Peter. »Deshalb habe ich es mit Ihrer Hilfe versucht. Da hat es sofort geklappt. Sie flößen den Menschen Vertrauen ein und besitzen Autorität«, meinte er grinsend. »Es sieht ganz danach aus, als ginge Sheng Ti keiner regelmäßigen Arbeit nach. Er lungert nur so herum. Deshalb habe ich ihn angesprochen. Er wird uns sicher nicht in Schwierigkeiten bringen.«
»Was für Schwierigkeiten? Peter, Sie haben doch hoffentlich nicht chinesisch mit ihm gesprochen?«
»Um Himmels willen, wo denken Sie hin«, fuhr er auf. »Für ihn bin ich nur ein völlig übergeschnappter amerikanischer Tourist, der eine Wette gewinnen möchte, bei der es darum geht, ob ich ein paar Stunden mit einem Eselskarren herumfahren kann, ohne daß die Reiseleiter davon erfahren. Mir hat gleich geschwant, daß er einer etwas verdächtig erscheinenden Sache nicht unbedingt abgeneigt
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