in China
Urumchi würde er wiederum mindestens vier Stunden
brauchen.
Es war schon vier Uhr früh vorbei. Um acht Uhr würde seiner Reisegruppe das Frühstück serviert, um neun Uhr sollte es nach Turfan gehen. Zum Frühstück würde er nicht mehr zurechtkommen. Und auch bis zur Abfahrt um neun in Urumchi zu sein, konnte sich als problematisch erweisen. Im Augenblick konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie er den anderen erklären sollte, wo er abgeblieben war. Er schloß seine Erklärung mit den Worten: »Also, ruhen Sie sich hier erst einmal aus, Wang, damit Sie wieder zu Kräften kommen. Denn wir müssen über die Berge. Wenn die Reisegruppe morgen am späten Abend aus Turfan zurückkehrt, bringe ich Ihnen noch etwas zu essen, aber wie Sie sehen...«
Wang hatte sich auf den Boden gesetzt und lächelte zum erstenmal. »Bitte, machen Sie sich keine Sorge n. Es wird mir unendlich guttun, einmal von der jian ku lao dong
auszuspannen«... womit er harte körperliche Arbeit meinte. »Es ist schon genug, wieder frei zu sein. Wo lei le... ich bin müde.«
»Gut, aber achten Sie auf Spuren, wenn Sie den Unterschlupf verlassen und sich in den Wald begeben«, riet ihm Peter. »Sie müssen bedenken, daß man bald nach Ihnen suchen wird. Ich werde pfeifen, wenn ich wiederkomme. Und zwar so.« Er imitierte einen leisen Vogelruf, den er noch zweimal wiederholte. »Verstanden?«
Wang sah sich überglücklich um. »Ja, ja«, murmelte er geistesabwesend. »Ich glaube, ich werde erst ein paar Aprikosen essen und mich dann schlafen legen. Wahrscheinlich werde ich tagelang schlafen. Ich bin entsetzlich müde.«
Peter sagte: »Ausgezeichnet. Ich wü nschte nur, ich könnte... ziajian!«
»Ziajian«, erwiderte Wang, doch da war Peter schon draußen und begann den langen Marsch zurück nach Urumchi. Der Rückweg war noch viel gefährlicher; denn es wurde schon hell, und er mußte ständig aufpassen, daß ihn niemand entdeckte.
10. Kapitel
Gegen sieben Uhr früh wußte Mrs. Pollifax, daß Peter noch nicht zurück war. Von vagen Ängsten um ihn gequält, hatte sie schon früh an seine Tür geklopft. Als dann um acht Uhr alle zum Frühstück erschienen, und Peter immer noch nicht aufgetaucht war, rechnete sie langsam mit dem Schlimmsten und zitterte um sein Leben. In einer Stunde sollten sie nach Turfan aufbrechen. Ihr Gepäck war schon heruntergebracht worden. Dabei war natürlich aufgefallen, daß Peter nicht da war, und alle machten sich Sorgen um ihn. Es gab viele Möglichkeiten, was ihm passiert sein konnte: die Polizei konnte ihn geschnappt und zum Verhör geschleppt haben, in der Annahme, er sei ein Chinese. Vielleicht war man ihm auch inzwischen draufgekommen, daß er Amerikane r war und mit gefälschten Papieren reiste. Er konnte auch einen Unfall gehabt haben und ganz allein und völlig hilflos irgendwo liegen.
Oder er hatte das Arbeitslager gefunden und war dabei selbst entdeckt worden. Was auch geschehen war... er war nicht da, und er hätte schon längst zurück sein müssen.
Die Tür zum Speisesaal wurde geöffnet. Sie setzten sich an den Frühstückstisch. Mrs.
Pollifax fühlte sich wie bei einer Berg-und Talfahrt, deren Ende ungewiß war. Sie setzte sich und machte sich lustlos über ein hart gekochtes Ei her.
Mr. Kan kam hereingestürzt und verkündete: »Ich habe an seine Tür geklopft. Nichts hat sich gerührt. Der Direktor wird seine Tür aufsperren. Vielleicht ist ihr Reisegefährte krank.«
Mrs. Pollifax spürte Malcoms besorgten Blick auf sich. »Ihnen ist wohl auch nicht gut?«
fragte er über den Tisch hinweg.
Jenny, die neben ihr saß, wandte sich ihr zu und starrte sie an.
»Doch, es ist alles in bester Ordnung«, versicherte sie Malcolm und zwang sich zu einem strahlenden Lächeln.
»Ach, er wird schon wieder auftauchen«, erklärte Iris fröhlich und unbeschwert, was ihr ein freundliches Lächeln von Joe und einen bewundernden Blick von George einbrachte.
Da steckte Mr. Li den Kopf zur Tür herein und rief Mr. Kan zu: »Er ist nicht in seinem Zimmer. Geschlafen hat er da, aber jetzt ist er nicht da.«
»Er hat in seinem Bett geschlafen«, murmelte Mrs. Pollifax.
Das bedeutete, daß die Decke zurückgeschlagen und das Laken zerwühlt war. Sie fühlte sich irgendwie erleichtert, weil Peter daran gedacht hatte. Das nutzte allerdings auch nicht viel, wenn Peter nicht bald wieder auftauchte.
»Aber niemand hat ihn gesehen«, fügte Mr. Li hinzu. Er gesellte sich zu ihnen. Das Lachen war
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