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In dein Herz geschrieben

Titel: In dein Herz geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Duncan Andrea Brandl
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unten. »Es überrascht mich, dass May noch keine wilde Meute um sich geschart hat und heraufkommt, um sie aufzuknüpfen.«
    Doris lachte. »Na ja, es ist ja noch früh am Tag.«
    In der Küche hatte May gerade das Wasser auf dem Fußboden aufgewischt und den Stuhl abgetrocknet und sah sie mit in die Hüften gestemmten Händen an. »Dieses Weib hat meine Küche versaut.«
    Doris und Cassandra sahen sich nur an und verdrehten die Augen.
    »Ich gehe mich umziehen«, sagte Cassandra. »Bin gleich wieder hier.«
    Als sie zurückkam, saßen Doris und May mit ihren Tassen am Küchentisch. Mitternacht, und diese beiden tranken Kaffee. Tja, wenn das so war, könnte sie ebenso gut eine Diät-Pepsi trinken. Sie holte sich eine aus dem Kühlschrank und setzte sich zu ihnen.
    »Wo hast du sie gefunden?«, fragte Doris und schob ihr eine Schachtel Kekse hin, aus der Cassandra einen herausnahm.
    »Ich war draußen am Pier, als ich etwas Weißes sah. Im ersten Moment dachte ich, es ist ein Gespenst«, sagte Cassandra. »Zwei Gespenster. Ein kleines am Strand und ein großes im Wasser. Dann dachte ich, es ist vielleicht der Graue Mann. Ihr wisst schon, der aus dem Buch mit den Gespenstergeschichten von der Küste.«
    »Der Graue Mann kommt nicht hierher«, erklärte May. »Er ist in South Carolina.«
    »Jedenfalls hat der Hund gebellt, woraus ich geschlossen habe, dass zumindest einer kein Geist ist. Also bin ich hinuntergegangen, um nachzusehen. Dann habe ich das weiße Ding im Wasser stöhnen gehört. Mittlerweile hatten sich meine Augen
an die Dunkelheit gewöhnt, so dass ich sehen konnte, dass es ein Mensch ist. Erst wusste ich nicht, was ich machen soll, aber dieser Hund hat ununterbrochen gebellt. Also bin ich ein Stück weit ins Wasser gegangen, zuerst nur ein bisschen, dann noch etwas weiter. Sie war noch nicht sehr weit draußen. Das Wasser ging mir gerade eben bis zur Brust, als ich sie zu fassen bekam.«
    »Hat sie geatmet?«, wollte May wissen.
    »Ja, aber ich schwöre, sie hat wie eine Leiche ausgesehen. Als ich sie angefasst habe, ist sie zusammengezuckt und hat geschrien, und dann hat sie die Augen aufgemacht. Ich will wieder zurück. Ich will wieder zurück, hat sie die ganze Zeit gewimmert. Ich habe ihr erklärt, dass ich ihr helfe, an den Strand zu kommen, und dann hat sie angefangen, zu brüllen und um sich zu schlagen. Es war, als versuchte man eine nasse Katze festzuhalten.« Cassandra zeigte ihnen ihre Arme, auf denen tiefe Kratzer zu sehen waren. »Gott sei Dank, dass die See ziemlich ruhig war.«
    »Ich wusste doch, dass sie spinnt«, meinte May. »Was sollen wir mit dieser Verrückten jetzt anfangen?«
    »Tja«, sagte Cassandra, »mir ist nicht wohl bei der Vorstellung, sie nach Hause zu bringen und allein dort zu lassen. Ich schätze, wir werden warten müssen, bis sie aufwacht und wir sie nach ihren Angehörigen befragen können. Vielleicht hat sie ja eine Freundin oder so was.«
    »Ich garantiere dir, diese Frau hat keine Freunde«, erklärte May.
    »Ein Grund mehr, ihr zu helfen«, warf Doris ein.
    »Prima. Dann könnt ihr beide ja ihre neuen besten Freundinnen sein. Ich gehe jetzt ins Bett.« May schob ihren Stuhl zurück, trug ihre Tasse zur Spüle und ließ sie allein zurück.
    »Bei May muss man sich nie fragen, wo man steht«, bemerkte Doris und drehte ihre Tasse in den Händen hin und her. Einen Moment lang saßen sie schweigend da. »Glaubst
du, sie hat versucht, sich umzubringen?«, fragte Doris schließlich.
    Überrascht horchte Cassandra auf und fragte sich, ob Doris nicht nur die Zukunft in ihren Träumen vorhersehen, sondern auch Gedanken lesen konnte. Sie hatte sich die ganze Zeit überlegt, ob es ein Unfall gewesen sein könnte, ob Evelyn vielleicht ins Wasser gewatet und von einer Welle erfasst worden war. Die Vorstellung, wie jemand so leiden konnte, dass er zu einem derartigen Schritt bereit war, brach ihr das Herz. Selbst in ihren schlimmsten Phasen hatte sie sich nie so allein gefühlt. Was für ein Glück sie hatten, Doris und sie, einen Ort zu haben, an den sie gehen konnten, sich an Menschen wenden zu können, die sie liebten. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie schließlich. »Sie tut mir so leid.«
    Doris holte tief Luft und nickte, ehe sie Cassandra in die Augen sah. »Mir auch.«

36
    Doris zog die Jalousie hoch, so dass das Morgenlicht ins Zimmer und aufs Bett fiel. Höchste Zeit, dass Evelyn Lundy aufwachte. Sie setzte sich hin und sah zu, wie sich Evelyns Kopf auf dem

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