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In dein Herz geschrieben

Titel: In dein Herz geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Duncan Andrea Brandl
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Kissen hin und her bewegte, ehe sie, ganz langsam, die Augen aufschlug. »Bin ich immer noch da?«, flüsterte sie.
    Als Doris nickte, stöhnte Evelyn und zog sich das Laken über den Kopf. »Nein. Es ist nicht richtig. Diese dicke Frau hätte mich in Ruhe lassen sollen.«
    »Diese dicke Frau«, sagte Doris und bemühte sich, nicht so verärgert zu klingen, wie sie war, »hat Ihnen das Leben gerettet.« - »Ihr erbärmliches Leben«, hätte sie am liebsten hinzugefügt.
    »Ich will zurück. Ich wollte zurück.« Bei jedem Wort blähte sich das Laken über ihrem Gesicht.
    »Schätzchen, der einzige Ort, zu dem Sie unterwegs waren, war der Meeresgrund.« Angewidert schüttelte Doris den Kopf. Wenn es etwas gab, was sie nicht ausstehen konnte, war es Gejammere, besonders von jemandem, der so viel hatte, wofür er dankbar sein sollte, wie diese Frau.
    Evelyn lag reglos da, lediglich ihre Brust hob und senkte sich. Nach einer Weile zog sie sich das Laken vom Gesicht und sah Doris an. »Sind Sie verheiratet?«
    »Ich bin Witwe.«
    Tränen quollen aus Evelyns Augen und kullerten in ihr Haar. Sie blickte Doris in die Augen, als kenne sie die magische Antwort auf die große Frage. »Wie kommt man ohne sie zurecht?«

    Doris spürte, wie ihr Herz weich wurde, nur ein ganz klein wenig. »Wie lange ist es schon her, Schätzchen?«
    »Letzten Freitag war es ein Jahr.« Sie nahm das Papiertaschentuch, das Doris ihr anbot, und trocknete sich die Augen.
    Erst ein Jahr, dachte Doris. Wusste diese Frau nicht, was für ein Glück sie hatte, ihren Mann den Großteil ihres Lebens bei sich gehabt zu haben? »Bei mir sind es schon fast dreißig.«
    »Dreißig«, flüsterte Evelyn. »Sagen Sie mir, dass es einfacher wird.«
    Automatisch wanderten Doris’ Finger zu dem schlichten Goldring an ihrer linken Hand und strichen darüber. »Schätzchen, ich will Ihnen keine Lügen erzählen. Es wird nicht viel einfacher, Sie werden nur stärker sein, um es zu ertragen. Es hilft, wenn man Kinder hat.«
    »Ich habe einen Sohn in Santa Fe und eine Tochter in Albuquerque.« Sie lachte auf. »Sie mögen die Wärme. Was ziemlich ironisch ist, wenn man bedenkt, wo ihre Eltern herkommen.«
    »Und wo ist das?« Obwohl Annie Laurie ihr alles über sie erzählt hatte, hielt Doris es für klüger, sie beschäftigt zu halten, also stellte sie sich unwissend.
    »Kanada. Prince Edward Island. Dort dauern die Winter lange, fast doppelt so lange wie hier.«
    »Gütiger Himmel«, meinte Doris. »Ich glaube nicht, dass ich so viel Kälte ertragen könnte.«
    »Man gewöhnt sich daran.« Evelyn zog die Arme unter dem Laken hervor und kreuzte sie über der Brust. »Sie wollen, dass ich in ihre Nähe ziehe. Meine Kinder, meine ich. Aber ich sage ihnen ständig, dass das nicht geht.«
    »Warum denn nicht?«
    »Darum.« Evelyns Wangen färbten sich rosa, als sie das Wort hervorstieß. »Ich weigere mich, eine dieser jämmerlichen
Witwen zu sein, deren Leben sich nur um ihre Enkel dreht und die nichts anderes zu tun haben, als mit anderen alten Frauen Karten zu spielen und shoppen zu gehen.«
    Doris konnte sie nur verblüfft anstarren. »Sie gehen also lieber ins Wasser, als bei Ihren Kindern zu leben?«
    »Meine Kinder brauchen mich nicht.«
    Doris hatte schon früher das eine oder andere Bad im Selbstmitleid erlebt, hatte sich selbst schon darin gesuhlt, aber das hier schlug alles um Längen. »Schätzchen«, sagte sie. »Wie um alles sind Sie auf die Idee gekommen, zu Ihrem Mann in den Sarg zu steigen? Sie waren doch auch jemand, bevor Sie ihn kennen gelernt haben, und sind es auch jetzt noch. Haben Sie das vergessen?«
    Evelyn schüttelte den Kopf.
    »Ich sage Ihnen etwas«, fuhr Doris fort. »Nichts hilft Ihnen besser, sich das vor Augen zu führen, als Enkel. Haben Sie welche?«
    »Ja, aber Sie verstehen das nicht.«
    Oh, damit brachte sie Doris endgültig auf die Palme. Sie sollte nicht verstehen? Doris sprang auf. »Ich schwöre Ihnen, Schätzchen, eines verstehe ich voll und ganz - nämlich, dass Sie keine Ahnung haben, wie glücklich Sie sich schätzen können.« Sie trat zur Kommode, nahm das Foto von Hector und Doll und hielt es Evelyn vor die Nase. »Sehen Sie das Mädchen da? Das ist meine Kleine. Sie ist tot. Ich werde sie nie wiedersehen. Sie wird mir niemals Enkelkinder schenken. Sie ist tot, und ich kann verdammt noch mal nichts dagegen tun.« Doris’ Atem kam stoßweise, und zu ihrer Überraschung spürte sie, dass sie den Tränen nahe war. Es war so

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