In dein Herz geschrieben
Foto gezeigt. Sie war sehr schön.« Cassandra wusste, dass sie bitter klang, doch sie konnte es nicht ändern.
»Ja, sie war sehr schön. Aber nur äußerlich. Ich mag es lieber, wenn meine Frauen auch innen schön sind. So wie du.« Er stürzte sich auf einen Arm und sah sie an. »Und ich wollte dich holen kommen, daran brauchst du keine Sekunde zu zweifeln.«
Seine Worte, seine Nähe - es war fast zu viel. Zu viel Gefühl. »Du hast dir weiß Gott Zeit gelassen.«
»Na ja, ich musste eine Scheidung hinter mich bringen. Und ich wollte dir Zeit geben, mich zu vermissen.« Er berührte ihr Haar, dann ihre Lippen. »Darf ich dich küssen?«
Sie wusste nicht, weshalb er sie jetzt fragte. Das hatte er doch vorher auch nie getan. Sie nickte.
Seine Augen, sie waren so sanft, so blau. Sie könnte ewig in sie hineinsehen. Und seine Lippen waren so weich, dass sie ihn ewig küssen könnte. Doch sie lagen in einem Schrank, draußen tobte ein Hurrikan, der das ganze Haus zerstören könnte. Er musste denselben Gedanken gehabt haben, denn er löste sich von ihr.
»Komm bloß nicht auf irgendwelche Ideen, Mister«, sagte sie.
Er lachte. »Ich komme immer auf irgendwelche Ideen.« Er griff hinter sich und knipste die Lampe aus. Cassandra rückte näher, und er legte die Arme um sie. Sie lagen da und lauschten dem Dröhnen des Sturmes. Es klang wie ein Zug, wie ein riesiger Güterzug, der gegen das Haus krachte und versuchte, sich Zugang zu verschaffen.
»Da war dieses Paar in den Flitterwochen in Myrtle Beach. 1954«, sagte er und ließ seine Hand an ihrem Arm hinunterwandern. »Das war das Jahr, in dem der Hurrikan Hazel gewütet hat. Er kam so schnell, dass sie keine Zeit für eine Evakuierung hatten. Am Ende mussten sie auf eine Matratze springen, und das Wasser stand so hoch, dass die Matratze in einen Baumwipfel gespült wurde. Kein übler Ort, um seine Flitterwochen zu verbringen, was? Stell dir mal die Aussicht vor.«
»Du machst Witze.«
»Immer noch besser als zu ertrinken.«
Erschaudernd zog sie das Laken über sich.
»Aber uns passiert nichts«, beruhigte er sie. »Schlaf jetzt.«
»Ja, klar«, höhnte sie. Doch er gähnte. »Wie kannst du so müde sein?«
»Schatz, ich wette, Jeannie und Reg und all die anderen schlafen auch, und sie trifft es möglicherweise viel schlimmer als uns.«
Cassandra dachte an Jeannie, die gemeint hatte, sie könne sich nicht erinnern, dass je einer durch einen Hurrikan umgekommen sei, wenigstens nicht in Ocracoke. In neun von zehn Fällen, hatte sie gesagt, sei das eigene Haus der sicherste Ort. Sie hatten eine Falltür eingebaut, damit das Haus nicht davontreiben konnte, wenn die Flut zu hoch stieg, einen Generator, für den Fall, dass der Strom ausfiel, ein Funkgerät, falls die Telefone nicht mehr funktionieren sollten, und, was am wichtigsten war - sie hatten einander. Hector hatte recht.
Wahrscheinlich lagen sie in ihren Betten und schliefen, obwohl sie jede Wette eingehen würde, dass die Kleinen bei ihren Eltern Zuflucht gesucht hatten.
»Zu Hause werden sie schier verrückt vor Sorge um uns sein«, sagte Cassandra. »Ich habe ein schlechtes Gewissen.«
»Ich weiß. Ich auch. Aber vor morgen früh können wir nichts unternehmen.«
Nach ein paar Minuten wurden seine Atemzüge tief und ruhig, woraus sie schloss, dass er eingeschlafen war. Sie lag da und fragte sich, wie sie so ruhig sein konnte. Sie fühlte sich jetzt, wo sie an Hector gekuschelt auf dem Boden dieses Schranks lag, so sicher wie seit langer, langer Zeit nicht. So sicher, wie sie sich nicht mehr gefühlt hatte, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war und ihr Daddy sie beim Gewitter im Arm gehalten hatte. Hector würde nicht zulassen, dass ihr etwas passierte, nicht einmal wenn der Sturm dort draußen wie verrückt tobte. Und sie würde nicht zulassen, dass ihm etwas passierte. Sie legte ihm den Arm um die Taille und war im Handumdrehen selbst eingeschlafen.
Lautes Schnarchen, das jeden Holzfäller neidisch gemacht hätte, riss Cassandra aus dem Schlaf. Hector lag dicht neben ihr auf dem Rücken, und sein Körper verströmte eine intensive Wärme. Sie hätte so gern in der völligen Dunkelheit die Hände nach ihm ausgestreckt, die Umrisse ertastet, sich bis zur Quelle dieser Wärme vorgearbeitet, so wie Blinde es taten. Gleichzeitig wünschte sie, es gäbe irgendeine Lichtquelle, die ihr gestattete, ihn anzusehen, ohne dass er es merkte, seinen Anblick in sich aufzusaugen. Es war durchaus in
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