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In deinem Schatten

In deinem Schatten

Titel: In deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Hambly
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Feuerfalle war, und die für einen Mann gearbeitet hatten, der sie mit der Drohung, sie sonst zu kündigen, in sein Büro bestellt hatte, hatte auch sie, Maddie, getan, was notwendig war, um zu überleben.
    Und umso tiefer sie in Trance fiel, desto deutlicher spürte sie das Grauen, das sie damals gepackt hatte. Es war, als würden die Schleier, die ihre damalige Wahrnehmung verhüllt hatten, Stück für Stück gelüftet.
    Sie hörte keine Stimmen und sah keine Geister, doch ihr war die Gegenwart der jungen Frauen plötzlich sehr bewusst, die zu zweit und zu dritt den kalten Korridor entlangeilten und sich dabei fester in ihre Schultertücher wickelten. Auch ihre Namen tauchten kurz vor Maddies geistigem Auge auf, bevor sie wieder verschwanden.
    Langsam und mit gespreizten Fingern streckte sie ihre Hand aus und legte sie, wie Diana es ihr beigebracht hatte, auf die Wand. Sofort spürte sie die Energie. Es fühlte sich an, als liefen ihr Ameisen über die Handfläche, und sie bedurfte all ihrer Willenskraft, die Hand nicht wegzureißen.
    Er war hier, überall im Haus – als hätte sein Geist das alte Gemäuer, das sich unter den unzähligen Schichten von Tapeten befand, durchdrungen wie die Sporen eines Pilzes. Sein Geist war nicht lebendig, doch er hielt an der Welt der Lebenden samt ihrer materiellen Freuden und ihrer Macht fest, die er auch zeit seines Lebens nie hatte aufgeben wollen. Es war der Geist eines Ungeheuers, das sich von allem ernährte, was es kriegen konnte.
    Maddie ging langsam voran und folgte dabei der starken Strömung der Energie. “Hier war einmal ein Vorraum”, murmelte sie. Ihre Lippen fühlten sich taub an. “Ein Vorraum, von dem man in ein Büro kam.” Sie sah alles vor sich, als wäre sie im Traum schon einmal hier gewesen. An der Stelle, wo jetzt eine Wand war, hatte eine Treppe nach oben geführt. Weiter hinten im Hauptkorridor wurde die Energie langsam schwächer und erlosch. Sie wickelte den Bindfaden weiter ab und bog in einen schmaleren Gang ein. Nur halb bewusst nahm sie wahr, dass an der Ecke ein blaues Kreidekreuz war und Phil ihr mit der Taschenlampe in der einen und dem Nageleisen in der anderen Hand folgte. Er erschien ihr kaum mehr als ein Schatten und fast surreal.
    Viel realer – tausend Mal realer – war dafür die Atmosphäre des Bösen und die Aggressivität, die gleichsam um sie herum vibrierte. Die heisere Stimme, die ihr vor zehn Tagen im Treppenhaus hasserfülltes Zeug zugeflüstert hatte, war nun wie das Knurren eines Hundes zu hören, den man in einen Käfig gesperrt hatte. Hier irgendwo war er, wütend und abgrundtief böse, und obwohl Maddie ihn nur undeutlich hören konnte, roch sie seinen verschwitzten Anzug, sein teures Aftershave, seinen nach Brandy stinkenden Atem und den Zigarrenrauch, der sich ihm in Haut und Haar gefressen hatte. Seine Gier – nach Frauen, nach Macht und Herrschaft über all jene, die zu schwach waren, sich zu wehren – war der zweite, weit üblere Gestank, der von ihm ausging.
    Sie bog um eine Ecke, dann um die nächste, während der Bindfaden sich von dem Knäuel in ihrer Hand stetig abwickelte. Vorbei an Bürotüren, vorbei an einem weiteren schmalen Gang … doch Maddie wusste, dass hier irgendwo die Treppe sein musste. Sie bog ein weiteres Mal rechts ab und nahm undeutlich wahr, dass es hinter ihr völlig dunkel war, obwohl sie nicht mitbekommen hatte, wann das Licht ausgegangen war.
    Der Lichtkegel der Taschenlampe fiel auf den Fuß der Treppe. Der Aufgang war schmal, kaum breiter als ihre Schultern, mit splittrigen, verdreckten Holzstufen und fleckigen Wänden.
    Jetzt konnte sie Glendower reden hören. Fluchen hören.
Diese dreisten Weiber, die plötzlich glauben, als Arbeiterinnen Forderungen stellen zu können … Ein Mann kann doch mit seinem Eigentum tun, was er will. Kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten. Ich werde euch schon erwischen … Wenn es euch kleinen Flittchen nicht passt, sucht euch doch woanders eine Arbeit. Ihr faulen Ausländerschlampen, die ihr mich ständig bestehlt und dauernd auf der Toilette hockt und raucht, während ich euch fürs Arbeiten bezahle …
    Hasstiraden, die seit einem Jahrhundert vor sich hin gärten und immer wieder hervorbrachen. Abscheu und Wut, und darunter die aggressive Kraft einer Seele, die ihre Macht aus den Schmerzen anderer Menschen bezieht. Aus dem Tod anderer Menschen.
    “Er ist hier oben”, flüsterte Maddie und legte ihre Hand auf die rissige Farbe an der Wand.

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