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In deinen Armen

In deinen Armen

Titel: In deinen Armen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd
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jämmerlichen Häuflein zusammensinken. Sechsundzwanzig Jahre, und dieses Kind behauptete, sie ähnele seiner Mutter? Wie war sie nur so schnell von jugendlichem Leichtsinn zu Altersweisheit gelangt? Wie konnte sie wie jemandes Mutter wirken, wo sie doch nie ein Baby in den Armen gehalten hatte … und es wegen Stephen auch niemals würde?
    Sie hatte nie darüber nachdenken wollen, und nun saß sie hier und starrte finster ein paar albern schnatternde Mädchen an, die sich nach und nach gerade aufsetzten und betreten auf ihre Füße sahen.
    »Mrs. MacLean, geht es Ihnen … gut?«, fragte Kay zaghaft.
    Enid erhob sich und ging zum Fenster, um ihre Miene nicht länger sehen zu lassen. »Ich hänge nur den Erinnerungen nach.« Was nur allzu wahr war und schlimm genug.
    Sarah beendete die kurze, angsterfüllte Stille. »Mrs. MacLean, falls ich das fragen darf, was ist mit Ihrem Mann passiert?«
    Enid zögerte, wandte das Gesicht ab und überlegte, wie sie die Geschichte zu Ende bringen sollte. Schließlich sagte sie mit feinem Understatement: »Eines Tages ist er auf seinem Ross davongeritten und … und …«
    »Hat er vielleicht eine arme alte Lady errettet?«
    »Sch!«, zischte Kay Ardelia wütend an.
    »Ganz recht.« Enid lächelte couragiert. »Und nun habe ich ihn auf immer verloren.«
    Dena stieß Shirley den Ellenbogen in die Rippen. »Hab ich dir doch gesagt, sie ist eine von diesen tragischen Heldinnen, die du so magst.«
    Ihre Lügen würden Enid in die Hölle bringen. Sie wusste es. Aber Hölle hin oder her, sie konnte nicht widerstehen, eine letzte dramatische – und in gewisser Weise sogar wahre – Erklärung abzugeben. »Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke, und keine Nacht, wo ich mir nicht wünsche, noch einmal sein Gesicht zu sehen.« Den Mädchen zugewandt, warf sie sich in eine theatralische Pose und umklammerte den goldenen Fransenbesatz der Vorhänge neben sich mit beiden Händen. »Ich würde alles geben, ihn noch einmal zu sehen.«
    Die Mädchen seufzten hingerissen wie aus einem Munde.
    Lady Halifax' zittrige Stimme drang von der Tür herüber. »Enid, meine Liebe, hier ist ein Mr. Kinman erschienen, Ihnen Ihren Herzenswunsch zu erfüllen.«
    Erwischt! Mitten in einer hanebüchenen Theatervorstellung, und das auch noch vor Lady Halifax, einer Frau, die Enid zutiefst bewunderte.
    Es führte mehr als nur ein Weg zur Hölle.
    Sie ließ die affektierte Pose augenblicklich fallen. Lady Halifax, von Schmerzen geplagt und an den Rollstuhl gefesselt, betrachtete Enid mit kummervollem, ungläubigem Blick.
    Hinter ihr stand ein förmlich aussehender Fremder in ordentlichem braunen Tweed. Auch er trug einen feierlichen Ausdruck im geröteten Preisboxergesicht.
    Angst schnürte Enid die Kehle zu. Was hatte Lady Halifax gesagt?
Ihren Herzenswunsch … ?
    Die Mädchen ließen ein besorgtes Raunen hören.
    Enid fragte knicksend nach: »Madam? Was meinen Sie damit?«
    »Mr. Kinman?« Lady Halifax machte einen Wink in Richtung des Gentlemans. »Würden Sie Mrs. MacLean die Situation erläutern?«
    »Es ist wahr.« Mr. Kinman trat vor und drehte mit Stummelfingern die braune Melone in den Händen. »Wir haben Ihren Gatten gefunden – er lebt.«
    In robusten, dunklen Reisekleidern stellte Enid draußen vor Lady Halifax' Schlafzimmertür den Koffer ab. Mit leisem Klopfen betrat sie den dunklen Raum. Die neue Pflegerin erhob sich aus ihrem Stuhl neben dem Bett und kam auf sie zu. »Lady Halifax ruht«, sagte sie leise. »Aber sie will nicht schlafen, bevor sie Sie nicht gesehen hat.« Mit einem mitfühlenden Klaps auf Enids Schulter verließ die Pflegerin das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Enid wartete, dass ihre Augen sich an das trübe Licht gewöhnten, und atmete derweil den vertrauten Duft aus Lavendel, Hustensirup, hohem Alter und schmerzgeprüfter Courage. Dann glitt sie mit raschelnden Unterröcken ans Krankenlager.
    Lady Halifax lag flach auf dem Rücken, die Decke bis zum Kinn hinaufgezogen, mit klauenartigen Fingern umklammert. Ihre dunklen Augen blitzten. »Ein
Ehemann,
Enid? Warum haben Sie mir nichts davon gesagt?«
    Gleich den Finger in die Wunde – auf Lady Halifax war Verlass.
    Enid schob Lady Halifax ein Kissen unter die knochigen Schultern, um ihr das mühsame Atmen zu erleichtern. »Eine gescheiterte Ehe ist nichts, dessen man sich brüsten könnte, und eine Frau, die ihren Mann nicht halten kann, ist bestenfalls ein Gegenstand des Mitleids.«
    »Mitleid? Mit Ihnen?«

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