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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Hundertfache. Cole St. Clair. Er rannte mit den Wölfen, wich ab und zu einem Hindernis auf der Fahrbahn aus oder sprang für ein paar Schritte über den Straßengraben und wieder zurück. Im Sprung breitete er die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten, unbefangen wie ein kleiner Junge. Es hatte etwas so unglaublich Großes, wie Cole hier mit den Wölfen lief, dass mir meine letzten Worte zu ihm in den Ohren klingelten. Die Scham ließ schließlich die Wärme in mir aufsteigen, die nichts anderes hatte erzeugen können.
    Ich hatte ein neues Ziel. Ich würde ihm sagen, dass es mir leidtat, wenn das alles hier vorbei war.
    Da fiel mir auf, dass irgendwas an meinem Armaturenbrett ratterte. Ich legte die Hand darauf, dann auf die Türverkleidung und versuchte, das Geräusch zu orten.
    In dem Moment wurde mir klar, dass es gar nicht von innerhalb des Wagens kam. Ich ließ das Fahrerfenster herunter.
    Aus der Richtung des Waldes hörte ich, wie die Rotorblätter des nahenden Helikopters die Luft aufpeitschten.
COLE
    Von diesem Punkt an ging alles so schnell, dass ich die Ereignisse kaum noch in eine sinnvolle Reihenfolge bringen konnte.
    Ich hörte das Flapp-flapp-flapp des Hubschraubers, immer zwei Flapps für einen hämmernden Schlag meines Herzens in meinen Ohren. Er war schnell, verglichen mit den Wölfen, dicht über uns und lauter als eine Explosion. In diesem Licht zeichnete er sich schwarz vor dem Himmel ab; selbst für mich als Mensch sah er aus wie ein Ungeheuer. Wie der Tod. Ein Kribbeln erhob sich in mir, eine böse Vorahnung. Der Rhythmus der Rotorblätter passte genau zu einem meiner alten Songs und der Text stieg mir ungewollt in den Kopf. I am expendable.
    Der Effekt auf die Wölfe trat sofort ein. Zuerst der Lärm, der sie ziellos durcheinanderrennen ließ; sie drängten sich zusammen und zerstreuten sich wieder. Und dann, als der Helikopter selbst immer näher kam, sahen sie sich im Laufen danach um. Klemmten die Schwänze zwischen die Beine, legten die Ohren an.
    Panik.
    Keine Deckung weit und breit. Die Leute im Hubschrauber hatten mich nicht gesehen, oder falls doch, interessierte es sie nicht. Sams Kopf war mir halb zugewandt, er wartete auf Anweisungen. Grace war ganz in der Nähe und versuchte, die verängstigten Wölfe zusammenzuhalten. Ich warf ihnen immer wieder das Bild zu, wie wir es alle zum Wald am anderen Ende dieses offenen Geländes schafften, aber die Bäume schienen so weit weg, so unerreichbar.
    Mein Blick irrte zwischen den Wölfen, dem Helikopter und dem Boden hin und her, während ich fieberhaft überlegte, was wir jetzt tun sollten, welcher neue Plan sie innerhalb der nächsten zwanzig Sekunden retten würde. Ich entdeckte Shelby ziemlich am Ende des Rudels. Sie versuchte, Beck zu beißen, der die Wölfe von hinten antrieb. Er schnappte nach ihr, aber sie ließ nicht locker. Wie eine lästige Mücke, wieder und wieder, griff sie ihn an. Seinetwegen hatte sie so lange niemanden aus dem Rudel herausfordern können und jetzt, da er abgelenkt war, ergriff sie ihre Chance. Sie und Beck fielen immer weiter hinter dem Rudel zurück. Ich wünschte, ich hätte härter gekämpft, als wir im Wald aufeinandergetroffen waren. Ich wünschte, ich hätte sie getötet.
    Irgendwie musste Sam gespürt haben, dass Beck Probleme hatte, denn jetzt wurde auch er langsamer und überließ Grace die Führung. Sein Blick war fest auf Beck gerichtet.
    Das Rauschen des Helikopters war jetzt so laut, so ohrenbetäubend, dass es war, als hätte ich niemals etwas anderes gehört. Ich blieb stehen.
    Und ab diesem Moment ging alles viel zu schnell. Sam knurrte Shelby an und sie ließ von Beck ab, als hätte sie ihm nie auch nur ein Härchen krümmen wollen. Kurz dachte ich, Sams Autorität hätte gesiegt.
    Dann stürzte sie sich erneut mit voller Wucht auf Beck.
    Ich dachte, ich hätte ein Warnsignal geschickt. Ich hätte eins schicken sollen. Aber es wäre so oder so zu spät gewesen, selbst wenn sie auf mich gehört hätten.
    Plötzlich stoben ringsum Erdbröckchen auf, eine Art Prasseln ertönte, und bevor ich begriff, was passiert war, ging Beck zu Boden. Er rappelte sich auf, schnappte in Richtung seiner Wirbelsäule und fiel dann wieder hin. Noch einmal das Prasseln, kaum hörbar über dem Lärm des Hubschraubers, und diesmal blieb er liegen. Sein Körper war eine Ruine, vollkommen zerfetzt.
    Ich durfte nicht darüber nachdenken. Beck. Er zuckte, wand sich, scharrte über den Boden, ohne wieder auf die

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