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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Beine zu kommen. Das war keine Verwandlung. Das war ein Todeskampf. Sein Körper war zu stark zerstört, um sich selbst zu heilen.
    Ich konnte nicht hinsehen.
    Ich konnte nicht wegsehen.
    Sam kam abrupt zum Stehen und ich sah, wie seine Schnauze sich zu einem Wimmern verzog, das ich von hier aus nicht hören konnte. Wir beide waren wie erstarrt; Beck durfte nicht sterben. Er war doch ein Riese.
    Er war tot.
    Shelby nutzte ihren Vorteil, solange Sam so abgelenkt war, und stürzte sich auf ihn, sodass er zu Boden ging. Sie rollten übereinander und kamen schlammverschmiert wieder auf die Füße. Ich versuchte Sam Bilder zu schicken, beschwor ihn, sie abzuschütteln und sich zu beeilen, aber er reagierte nicht, entweder weil er den Blick nicht von Beck wenden konnte oder weil Shelby seine ganze Konzentration beanspruchte.
    Ich hätte sie töten sollen.
    Vor ihnen flog noch immer der Helikopter langsam hinter den Wölfen her. Wieder stob Erde auf, dann noch einmal, aber kein Wolf fiel. Mir blieb nur ein Augenblick, um zu denken: Vielleicht bleibt Beck ja der einzige, als ein Wolf aus der Mitte des Rudels in vollem Lauf stürzte, sich ein paarmal überschlug und zuckend liegen blieb. Es dauerte mehrere endlos lange Minuten, bis die zwei Gewehre aus dem Helikopter die Sache beenden konnten.
    Es war eine Katastrophe.
    Ich hatte die Wölfe aus dem Wald geführt, damit sie nun einer nach dem anderen abgeknallt wurden, ein Tod in sieben langsamen Schüssen.
    Der Hubschrauber drehte ab. Wie gern hätte ich geglaubt, dass die Jagd vorüber war, aber ich wusste genau, dass der Pilot nur einen besseren Schusswinkel auf die Wölfe suchte. Mittlerweile hatte sich das Rudel aus lauter Angst weitläufig zerstreut; Sams Kampf mit Shelby hatte die zielgerichtete Flucht der anderen Wölfe fast völlig zunichtegemacht. Dabei waren sie jetzt schon so nah am Wald. Sie konnten es in die sichere Deckung schaffen, wenn sie sich nur vorwärts bewegen würden. Alles, was sie brauchten, waren ein paar Augenblicke ohne diesen Helikopter, der sie so in Panik versetzte.
    Aber uns blieb kein einziger Augenblick. Und so offensichtlich, wie Sam und Shelby nun vom Rudel getrennt waren, war mir klar, dass sie die nächsten Opfer sein würden.
    Ich konnte immer noch Becks Tod vor mir sehen.
    Ich konnte nicht zulassen, dass dasselbe mit Sam geschah.
    Ich dachte keine Sekunde nach. Ich griff in die Tasche meiner Cargohose und mein Schatten, der lang ausgedehnt vor mir lag, tat es mir nach. Ich zog die Spritze hervor, riss mit den Zähnen die Kappe ab und rammte mir die Nadel in den Arm. Keine Zeit, darüber nachzudenken. Keine Zeit, sich wie ein Held zu fühlen. Nur eine rasende, schneidende Welle von Schmerz und dann der stumme Schub des Adrenalins, das die Verwandlung beschleunigte. Ich war eine Welt voller Qualen und dann war ich ein Wolf. Und ich rannte.
    Shelby. Töte Shelby. Rette Sam.
    Das war alles, woran ich mich erinnern musste, und die Worte begannen mir auch schon zu entgleiten, als ich mich mit voller Wucht auf Shelby stürzte. Ich bestand nur noch aus gefletschten Zähnen und Knurren. Meine Kiefer schlossen sich um ihr Auge, genau wie ich es von ihr gelernt hatte. Sie wand sich und schnappte nach mir, sie wusste genau, dass es diesmal um alles ging. In meinem Angriff lag keine Wut. Nur grimmige Entschlossenheit. So hätte auch unser vorheriger Kampf sein müssen.
    Blut füllte meinen Mund, entweder Shelbys oder meins, vielleicht von meiner Zunge. Ich warf Sam ein Bild zu: Verschwinde. Ich wollte, dass er an der Spitze mit Grace lief. Ich wollte ihn nicht hier haben, sondern zurück beim Rudel, wo er einer von vielen war und kein einzelnes, unbewegtes Ziel.
    Warum haute er nicht endlich ab? VERSCHWINDE. Eindringlicher konnte ich es nicht mehr formulieren. Es gab Wege, ihn zu überzeugen, das wusste ich, aber mein Kopf hielt sie nicht länger bereit. Dann flog ein Bild von Grace zu uns nach hinten. Das Rudel, orientierungslos, in alle Richtungen zerstreut, und der Wald so nah, aber gleichzeitig unerreichbar ohne ihn. Der Hubschrauber kam zurück. Beck war tot. Sie hatten Angst. Sam. Sie brauchten ihn. Grace brauchte ihn.
    Er wollte mich nicht zurücklassen.
    Ich ließ Shelby los und knurrte ihn an, so heftig ich konnte. Seine Ohren sanken nach unten und dann war er verschwunden.
    Ich wünschte mir von ganzem Herzen, ich hätte mit ihm gehen können.
    Shelby machte einen Satz, um ihm zu folgen, aber ich riss sie wieder zu Boden. Wir rollten über

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