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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Erkenntnis über meinen Verstand.
    Ich konnte … ich konnte Cole nicht retten.
    Aber Sam und Grace schon. Sie waren schon beinahe im Wald. So verdammt nah. Alles, was sie brauchten, waren ein paar Augenblicke.
    Der Nachzügler war tot. Ich wusste nicht, wer es war. Der Hubschrauber flog eine langsame Schleife, um sich auf den nächsten Angriff vorzubereiten. Ich warf einen Blick zurück zu Cole; mir war nicht klar gewesen, wie sehr ich mir gewünscht hatte, er würde sich bewegen, bis ich die Gewissheit hatte, dass er es nicht tat. Ich konnte nicht sehen, wo genau er angeschossen worden war, aber ich sah das Blut rings um ihn und dass er flach und klein dalag und kein bisschen berühmt aussah. Zumindest war er nicht so übel zugerichtet wie ein paar der anderen Wölfe. Das hätte ich nicht ertragen.
    Es musste schnell gegangen sein. Das redete ich mir ein.
    Der Atem blieb mir in der Brust stecken.
    Daran durfte ich nicht denken. Ich durfte nicht daran denken, dass er tot war.
    Aber ich tat es trotzdem.
    Und plötzlich war es mir egal, dass mein Vater sauer auf mich sein würde, dass ich mir damit eine Million Probleme einhandelte, dass es jeden noch so kleinen Fortschritt, den wir vielleicht gemacht hatten, zunichtemachen würde.
    Ich konnte dem hier ein Ende setzen.
    Als der Hubschrauber sich wieder näherte, lenkte ich meinen Wagen von der Straße auf die offene Ebene, die Böschung hinauf, die hier leicht anstieg. Dieses Auto war vermutlich nie wirklich fürs Gelände gedacht gewesen, auch wenn es so aussah, und es hüpfte auf und ab und machte Geräusche, als würde es jeden Moment in seine Einzelteile zerfallen, als versuchten sich gequälte Seelen aus dem Fahrwerk zu befreien. Wahrscheinlich würde jeden Moment eine Achse brechen oder was sonst noch alles passieren konnte.
    Doch trotz allem Geklapper und Geschepper war ich immer noch schneller als das Rudel und so fuhr ich mitten hinein, direkt zwischen zweien von ihnen hindurch, und zwang die Wölfe so, vor mir herzulaufen.
    Die Schüsse brachen sofort ab. Staub wallte in riesigen Wolken hinter mir auf und verdeckte die Sicht auf den Helikopter. Vor mir sah ich die Wölfe einen nach dem anderen hinter Sam und Grace im Dickicht unter den Bäumen verschwinden. Mir war, als müsste jeden Moment mein Herz explodieren.
    Der Staub sank langsam zu Boden. Über mir schwebte der Hubschrauber. Ich atmete tief durch, öffnete das Schiebedach und starrte hoch in den Himmel. Die Sicht war immer noch nicht klar, aber ich wusste, dass mein Dad mich durch die offene Tür gesehen hatte. Selbst so hoch oben erkannte ich seinen Gesichtsausdruck. Entsetzen, Bestürzung und Betretenheit auf einmal.
    Ich wusste nicht, was als Nächstes passieren würde.
    Am liebsten wäre ich in Tränen ausgebrochen, aber ich starrte nur weiter nach oben, bis der letzte Wolf im Wald verschwunden war.
    Mein Handy vibrierte auf dem Sitz neben mir. Eine SMS von meinem Vater.
     
    verschwinde von hier
     
    Ich schrieb zurück.
     
    du zuerst

KAPITEL 74
SAM
    Ohne viel Aufheben verwandelte ich mich wieder zurück. Als wäre das kein Wunder. Einfach so: die Sonne auf meinem Rücken, die Wärme des Tages, der Werwolf, der durch meine unbeständigen Adern strömte und dann Sam, der Mensch.
    Ich war an der Ferienhütte angelangt und dort wartete Koenig auf mich. Ohne einen Kommentar über meine Nacktheit reichte er mir ein T-Shirt und eine Jogginghose aus seinem Auto.
    »Hinten gibt es eine Wasserpumpe, falls du dich ein bisschen sauber machen willst«, sagte er, dabei konnte ich doch gar nicht schmutzig sein. Die Haut, die ich nun trug, war vollkommen frisch.
    Trotzdem ging ich um das Haus herum und staunte über meine Schritte, meine Hände, meinen langsamen menschlichen Puls. Als das Wasser aus der alten Metallpumpe zu spritzen begann, sah ich, dass meine Handflächen und Knie voller Matsch von der Verwandlung waren.
    Ich schrubbte mich sauber, zog die Kleider an und trank Wasser aus der Pumpe. Meine Gedanken kehrten wie in einem Strudel zu mir zurück, wild und heftig und unsicher. Ich hatte es geschafft – ich hatte das Rudel hergeführt, mich zurückverwandelt. Ich war zum Wolf geworden und hatte mich selbst dabei bewahrt, oder wenn nicht alles von mir, dann zumindest meine Seele.
    Eigentlich war es unmöglich und doch stand ich hier, hinter der Hütte, in meiner eigenen Haut.
    Dann sah ich wieder Beck vor mir, seinen Tod, und mein Atem ging wie ein kenterndes Schiff auf hoher See, unstet und

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