In deinen Augen
gebissen.
»War ja klar«, stöhnte sie. Sie klang sauer, was, wie ich langsam zu begreifen begann, ein Zeichen dafür war, dass sie sich Sorgen machte. »Wo bist du?«
»Im Haus.«
»Okay, ich bin in ein paar Sekunden da.«
»Du –?«
»Hab ich doch gesagt«, erklärte Isabel. »Ich hab dran gedacht, dich anzurufen.«
Es dauerte nur zwei Minuten, bis ihr Geländewagen in die Einfahrt rollte. Zwanzig Sekunden später fiel mir auf, dass Cole nicht mehr atmete.
KAPITEL 7
SAM
Isabel telefonierte, als sie ins Wohnzimmer kam. Sie warf ihre Handtasche auf die Couch und würdigte Cole und mich kaum eines Blicks. »Wie ich bereits sagte, mein Hund hat einen Anfall«, sagte sie in ihr Handy. »Ich habe kein Auto. Wie kann ich ihm hier helfen? Nein, es geht nicht um Chloe.«
Während sie auf die Antwort lauschte, sah sie mir ins Gesicht. Einen Augenblick lang starrten wir uns an. Zwei Monate waren vergangen und Isabel hatte sich verändert – ihr Haar war länger, ja, aber wie bei mir lag der eigentliche Unterschied in ihren Augen. Sie war eine Fremde. Ich fragte mich, ob sie dasselbe über mich dachte.
Die Person am Telefon hatte ihr eine Frage gestellt. Sie gab sie an mich weiter. »Wie lange geht das schon so?«
Ich sah weg, auf die Uhr. Meine Hände fühlten sich kalt an. »Sechs Minuten, seit ich ihn so gefunden hab. Er atmet nicht.«
Isabel leckte sich über die kaugummirosa Lippen. Sie sah an mir vorbei, dorthin, wo Cole noch immer zuckte, seine Brust regungslos, ein reanimierter Leichnam. Als sie die Spritze neben ihm entdeckte, wurde ihr Blick finster. Sie hielt das Handy von ihrem Mund weg. »Sie sagen, wir sollen es mit einem Eisbeutel versuchen. Ins Kreuz.«
Ich kramte zwei Tüten Pommes frites aus dem Gefrierschrank. Als ich zurückkam, hatte Isabel das Telefongespräch beendet und war vor Cole in die Hocke gegangen – ziemlich gewagt mit ihren Highheels. Ihre Haltung, die Neigung ihres Kopfes, hatte etwas Frappierendes. Sie wirkte wie ein wunderschönes, einsames Kunstwerk, faszinierend, aber unerreichbar.
Ich kniete mich auf Coles andere Seite und drückte ihm mit einem vagen Gefühl von Hilflosigkeit die Beutel auf den Rücken. Ich kämpfte gegen den Tod und dies waren die einzigen Waffen, die ich hatte.
»Jetzt«, sagte Isabel, »mit dreißig Prozent weniger Natriumgehalt.«
Ich brauchte einen Augenblick, bis ich begriff, dass sie vorlas, was auf den Pommes-Tüten stand.
Coles Stimme drang aus den Lautsprechern neben uns, sexy und sarkastisch: »I am expendable. «
»Was hat er gemacht?«, fragte sie. Die Spritze sah sie nicht an.
»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Ich war gar nicht hier.«
Isabel streckte die Hand aus und half mir, einen der Beutel festzuhalten. »Dämlicher Scheißkerl.«
Mir fiel auf, dass das Zucken etwas abgeebbt war.
»Es hört auf«, sagte ich. Und dann, weil es mir vorkam, als würde zu viel Optimismus vielleicht das Schicksal dazu verleiten, mich zu bestrafen: »Oder er ist tot.«
»Ist er nicht«, erwiderte Isabel. Aber überzeugt klang sie nicht.
Der Wolf lag jetzt reglos da, den Kopf in einem grotesken Winkel zurückgebogen. Meine Finger waren leuchtend rot von den eiskalten Pommes. Wir waren vollkommen still. Grace musste mittlerweile weit weg von dem Ort sein, von dem aus sie mich angerufen hatte. Plötzlich kam mir mein Plan albern vor, kein bisschen logischer als der Versuch, Cole mit einer Tüte Tiefkühlpommes zu retten.
Die Brust des Wolfs bewegte sich noch immer nicht; ich hatte keine Ahnung, wie lange sein letzter Atemzug schon her war.
»Tja«, sagte ich leise. »Verdammt.«
Isabel ballte die Hände im Schoß.
Mit einem Mal bäumte sich der Körper des Wolfs noch einmal in aller Heftigkeit auf. Seine Beine ruderten wild durch die Luft.
»Das Eis«, blaffte Isabel. »Sam, aufwachen!«
Aber ich tat nichts. Erstaunt über die Wucht meiner Erleichterung darüber, dass Coles Körper nun wieder anfing zu beben, sah ich zu. Diese Art von Schmerz erkannte ich – er verwandelte sich. Der Wolf zuckte und schlotterte und sein Fell schien sich zu lösen und wich zurück. Pfoten verlängerten sich zu Fingern, Schultern ruckten und verbreiterten sich, die Wirbelsäule bog sich zurück. Alles an ihm zitterte. Der Körper des Wolfs dehnte sich bis zum Punkt des Unmöglichen aus, Muskeln wölbten sich unter der Haut, Knochen schabten hörbar übereinander.
Und dann lag Cole vor uns, keuchend, mit blauen Lippen und gespreizten, um Luft flehenden Fingern.
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