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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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gewesen sein, kurz nachdem sie hergezogen sind.«
    »Hatte er Isabel dabei?«, fragte Grace.
    »Nicht dass ich wüsste«, überlegte ich. »Ich gebe mir wirklich alle Mühe, ihn nicht als abgrundtief böse zu sehen, Grace. Um Isabels willen. Ich weiß nicht, was ich von ihm halten würde, wenn die Wölfe nicht wären.«
    »Wenn die Wölfe nicht wären«, erwiderte Grace, »würden wir alle überhaupt nicht über ihn nachdenken.«
    »In der Geschichte sollte eigentlich Speck vorkommen«, gestand ich. »Ich wollte dich zum Lachen bringen.«
    Grace stieß einen tiefen Seufzer aus, als hätte das Gewicht der ganzen Welt die Luft aus ihren Lungen gepresst, und ich verstand genau, wie sie sich fühlte.
    »Schon okay. Mach das Licht aus«, sagte sie und zog die Decke über uns beide, so wie wir dort lagen. Sie roch schwach nach Wolf und ich fürchtete, dass sie die Nacht nicht ohne Verwandlung überstehen würde. »Von mir aus kann dieser Tag jetzt gern vorbei sein.«
    Viel wacher als zuvor streckte ich den Arm aus dem Bett, um den Stecker der Lichterkette herauszuziehen. Es wurde dunkel im Zimmer und nach ein paar Sekunden flüsterte Grace mir zu, dass sie mich liebte, fast ein wenig betrübt. Ich schlang meine Arme fest um ihre Schultern und es tat mir leid, dass es so kompliziert war, mich zu lieben.
    Ihre Atemzüge wurden bereits langsamer, als ich es zurückflüsterte. Aber ich schlief nicht ein. Hellwach lag ich da und dachte an Tom Culpeper und an Beck und daran, wie tief die Wahrheit über sie vergraben schien. Immer wieder sah ich Culpeper durch den Schnee auf mich zukommen, die Nase bereits gerötet vor Kälte, um wie selbstverständlich einem Jungen, den er gar nicht kannte, dabei zu helfen, an einem eiskalten Abend einen Reifen zu wechseln. Und zwischen den einzelnen Malen, die dieses Bild vor mir aufflackerte, sah ich die Wölfe, die aus dem kalten Morgen auftauchten und meinen kleinen Körper zu Boden stießen. Mein Leben für immer veränderten.
    Das war Becks Werk gewesen. Beck hatte beschlossen, mich zu holen. Schon lange, bevor meine Eltern entschieden hatten, dass sie mich nicht mehr wollten, hatte Beck das alles geplant. Sie hatten es ihm lediglich leicht gemacht.
    Ich wusste nicht, wie ich mit diesem Wissen leben sollte, ohne dass es mich von innen auffraß, ohne dass es jede glückliche Erinnerung an meine Kindheit und Jugend vergiftete. Ohne dass es alles zerstörte, was Beck und ich je gehabt hatten.
    Ich verstand einfach nicht, wie jemand Gott und zugleich der Teufel sein konnte. Wie ein und derselbe Mensch dich zermalmen und retten konnte. Wenn doch alles, was ich war, gut und böse, durch seine Hand miteinander verwoben war, woher sollte ich dann wissen, ob ich ihn lieben oder hassen musste?
    Mitten in der Nacht wachte Grace auf, die Augen ängstlich geweitet und am ganzen Körper zitternd. Sie stieß meinen Namen hervor, genau wie Beck es vor all diesen Jahren dort am Straßenrand getan hatte, und dann, auch genau wie Beck, ließ sie mich allein zurück, mit nichts als einem Häufchen leerer Kleider und tausend unbeantworteten Fragen.

KAPITEL 34
ISABEL
    Am nächsten Morgen um sieben Uhr erschien Sams Nummer auf dem Display meines Handys. Normalerweise wäre ich um diese Zeit dabei gewesen, mich für die Schule fertig zu machen, aber es war Wochenende und das bedeutete, dass ich auf dem Bett lag und mir meine Laufschuhe anzog. Das mit dem Laufen machte ich aus purer Eitelkeit, weil ich davon tolle Beine bekam.
    Ich klappte mein Handy auf. »Hallo?« Ich war mir nicht sicher, was ich erwartete.
    »Ich wusste es«, sagte Cole. »Ich wusste, dass du ans Telefon gehst, wenn du denkst, es ist Sam.«
    »Mein Gott. Ist das jetzt dein Ernst?«
    »Mein voller Ernst. Kann ich reinkommen?«
    Ich sprang vom Bett, huschte ans Fenster und sah nach draußen. Dort konnte ich gerade noch das Heck eines ziemlich hässlichen Kombis am Ende der Einfahrt erkennen.
    »Bist du das da in dem Perversomobil?«
    »Mmhmm, und es stinkt wie die Pest«, antwortete Cole. »Ich würde dich ja einladen, dich zu mir zu setzen, damit wir uns mal in ganz intimer Atmosphäre unterhalten können, aber was auch immer hier so müffelt, es haut einen echt um.«
    »Was willst du, Cole?«
    »Deine Kreditkarte. Ich muss ein Fischernetz, ein bisschen Bastelzeug und ein paar Beruhigungsmittel bestellen, rezeptfrei natürlich, ich schwöre. Und zwar als Expresslieferung.«
    »Sag mir bitte, dass das einer deiner missratenen Versuche ist,

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