In deinen Augen
den Wagen totgekriegt?‹ Er war dick eingepackt in mehrere Mäntel und Handschuhe und Schals, aber trotz allem zitterte er bereits. Beim Anblick des platten Reifens, der wirklich ziemlich ulkig aussah, stieß er einen Pfiff aus. ›Das nenn ich ganze Arbeit. Hast du ’nen Elch überfahren, oder was?‹«
»Und, hattest du?«, wollte Grace wissen.
»Nein«, sagte ich. »Beck hat mich noch ein bisschen weiter veräppelt und mir dann gezeigt, wo der Ersatzreifen ist und –«
Ich brach mitten im Satz ab. Eigentlich hatte ich die Geschichte erzählen wollen, wie Ulrik den Wagen schließlich verkauft hatte. Er hatte vier Pfund Speck gebraten und in den Kofferraum gepackt, wenn Leute kamen, um das Auto zu besichtigen, weil er mal gehört hatte, dass Immobilienmakler Plätzchen backten, wenn sie Häuser an Frauen verkaufen wollten. Aber stattdessen war ich in meiner Schläfrigkeit abgedriftet und die Geschichte, mit der ich jetzt angefangen hatte, endete mit Becks Lächeln, das verblasst war, ehe ein Paar Scheinwerfer den Hügel hinaufgekommen und auf der anderen Seite wieder verschwunden war, einem Haufen Schals und Pullover und Handschuhen auf dem Boden hinter dem Escort und mit einem nutzlosen Montierhebel in meiner Hand und der Erinnerung, dass Beck noch die Hälfte meines Namens herausbekam, während er sich verwandelte.
»Und was?«
Ich überlegte fieberhaft, ob ich die Geschichte noch irgendwie in eine andere Richtung lenken, heiterer gestalten konnte, plötzlich aber fiel mir ein Aspekt des Ganzen auf, über den ich seit Jahren nicht mehr nachgedacht hatte. »Beck hat sich verwandelt. Und ich stand da mit diesem verdammten Montierhebel und war genauso weit wie vorher.«
Wieder allein, hatte ich seinen Mantel und seine unzähligen Pullover vom Boden aufgeklaubt, den Großteil des schmutzigen Schnees abgeklopft und den ganzen Haufen auf den Rücksitz des Escorts geworfen. Dann hatte ich mir gestattet, mit voller Wucht die Wagentür zuzuknallen. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, hatte ich mich von der Straße und dem Wagen abgewandt. Denn der Verlust von Beck hatte mich noch nicht erreicht. Die Tatsache, dass ich am Straßenrand festsaß, war erst mal gegenwärtiger gewesen.
Grace stieß ein leises Geräusch aus, voller Mitleid für den Sam von damals, auch wenn dieser Sam lange gebraucht hatte, bis ihm klar wurde, was er in diesen paar Minuten verloren hatte.
»Eine Weile hab ich bloß rumgestanden und auf den ganzen nutzlosen Kram im Kofferraum gestarrt – Ulrik hatte zum Beispiel eine Hockeymaske da drin, und die hat mich angeguckt, als wollte sie sagen: Du bist so ein Idiot, Sam Roth. Und dann hörte ich, wie hinter mir ein Auto hielt. Diesen Teil hatte ich bis gerade eben komplett vergessen, Grace. Was meinst du, wer da angehalten hatte, um zu fragen, ob ich Hilfe brauche?«
Grace rieb ihre Nase an meinem T-Shirt. »Keine Ahnung. Wer denn?«
»Tom Culpeper«, antwortete ich.
»Nein!« Grace bog den Kopf zurück, sodass sie mich anblicken konnte. »Im Ernst?«
Jetzt sah sie wieder viel mehr aus wie sie selbst in dem schummrigen Licht, das Haar zerzaust, wo sie auf meiner Brust gelegen hatte, und die Augen lebendiger als zuvor. Meine Hand auf ihrer Hüfte sehnte sich danach, unter ihr T-Shirt zu kriechen und sich einen Pfad über die Wölbung ihrer Wirbelsäule zu suchen, ihre Schulterblätter zu berühren und dafür zu sorgen, dass sie an nichts anderes dachte als an mich.
Aber diese Grenze würde ich nicht ungebeten überschreiten. Ich wusste nicht, wo wir gerade standen. Und ich war gut im Warten.
»Ja«, sagte ich also, anstatt sie zu küssen. »Es war Tom Culpeper.«
Grace kuschelte sich wieder an meine Brust. »Das ist ja verrückt.«
Du bist Geoffrey Becks Junge, hatte Tom Culpeper festgestellt. Selbst im Dämmerlicht konnte ich sehen, dass sein Geländewagen mit Eis und Sand und Streusalz verkrustet war – oder Schneck, wie Ulrik es gern nannte, eine Mischung aus Schnee und Dreck –, und der krumme Lichtkegel seiner Scheinwerfer war auf mich und den Escort gerichtet. Nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu: Sam, richtig? Sieht aus, als könntest du Hilfe gebrauchen.
Ich erinnerte mich, wie dankbar ich damals gewesen war, meinen Namen in einem so normalen Tonfall zu hören, der die Erinnerung daran überlagerte, wie Beck ihn hervorgestoßen hatte, als er sich verwandelte.
»Und er hat mir geholfen«, sagte ich. »Damals war er wohl irgendwie noch anders drauf, schätze ich. Muss
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