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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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einen Witz zu machen.«
    »Ich hab Sam gesagt, ich könnte Beck einfangen. Ich will eine Falle bauen, in der Grube, die Grace uns netterweise gezeigt hat, indem sie reingefallen ist, und der Köder wird Becks Lieblingsessen, das wiederum er netterweise in seinem Tagebuch bei einer Anekdote über einen Küchenbrand festgehalten hat.«
    »Okay, das spricht definitiv für einen Witz. Ansonsten müsste ich nämlich davon ausgehen, dass mich da gerade ein Irrer angerufen hat.«
    »Gerüche sind die stärksten Auslöser für Erinnerungen.«
    Ich seufzte und ließ mich wieder aufs Bett fallen, das Telefon noch immer am Ohr. »Und wie bitte schön soll das euch alle davor bewahren, von meinem Vater über den Jordan geschickt zu werden?«
    Einen Moment lang herrschte Stille. »Beck hat die Wölfe schon einmal umgesiedelt. Ich will ihn darüber ausfragen.«
    »Und dafür brauchst du ein Fischernetz, Bastelzeug und ein paar Medikamente?«
    »Wenn’s nicht funktioniert, hab ich damit zumindest die Zutaten für eine Menge Spaß.«
    Ich starrte nach oben. Vor langer Zeit hatte Jack hier mal einen Klumpen Knete an die Decke geworfen und dort klebte sie noch immer, genau an der Stelle, wo die Decke auf die schräge Wand traf.
    Ich seufzte. »Na schön, Cole, von mir aus. Wir treffen uns an der Seitentür, das ist da an dem kleinen Treppenhaus, in dem du schon mal warst. Park dieses Monster irgendwo, wo meine Eltern es nicht sehen, wenn sie aufwachen. Und mach ja keinen Krach.«
    »Ich mache nie Krach«, sagte Cole. Das Telefon verstummte in meiner Hand und im selben Moment ging meine Zimmertür auf.
    Noch immer auf dem Rücken, bog ich den Kopf in den Nacken und erblickte wenig überrascht einen verkehrt herum stehenden Cole, der behutsam die Tür hinter sich schloss. Er trug eine Cargohose und ein schlichtes schwarzes T-Shirt. Trotzdem sah er aus wie ein Star, aber das lag, wie ich langsam begriff, mehr an seiner Haltung als an seinen Klamotten. In meinem Zimmer voller leichter, fließender Stoffe, glänzender Kissen und lächelnder Spiegel wirkte Cole fehl am Platz, aber das lag, wie ich ebenfalls langsam begriff, mehr an seiner Art als tatsächlich daran, wo er sich befand.
    »Aha, heute bist du also Querfeldein-Barbie«, begrüßte er mich. Mir fiel wieder ein, dass ich meine Laufschuhe und Shorts trug. Er marschierte zu meiner Kommode und sprühte eine Wolke meines Parfüms in die Luft. Der Cole im Spiegel wedelte mit der Hand durch den feinen Nebel.
    »Nein, heute bin ich Humorlos-Barbie«, antwortete ich. Cole nahm meinen Rosenkranz von der Kommode und strich mit dem Daumen über eine der Perlen. Die Art, wie er ihn in der Hand hielt, ließ es wie eine vertraute Geste aussehen, obwohl ich mir kaum vorstellen konnte, wie Cole St. Clair eine Kirche betreten sollte, ohne sofort in Flammen aufzugehen. »Ich dachte, die Seitentür wäre abgeschlossen gewesen.«
    »Offensichtlich nicht.«
    Ich schloss die Augen. Ihn anzusehen, machte mich … müde. Ich fühlte dieselbe Schwere in mir wie im Il Pomodoro. Mir kam in den Sinn, dass ich vielleicht einfach irgendwo hingehen sollte, wo mich niemand kannte, um ganz von vorn anzufangen, ohne auch nur eine meiner alten Entscheidungen, Unterhaltungen oder Erwartungen dorthin mitzunehmen.
    Das Bett stieß einen Seufzer aus, als Cole sich daraufsinken ließ und sich neben mir auf den Rücken legte. Er roch sauber, nach Rasierschaum und nach Strand, und mir wurde klar, dass er sich ganz besonders sorgfältig fertig gemacht haben musste, bevor er heute hierherkam. Das verstärkte das seltsame Gefühl in mir nur noch.
    Ich schloss wieder die Augen. »Wie geht’s Grace? Wegen Olivia, meine ich?«
    »Schwer zu sagen. Sie hat sich gestern Nacht verwandelt, da haben wir sie im Bad eingesperrt.«
    »Ich war nicht mit Olivia befreundet«, sagte ich. Irgendwie schien es wichtig, dass er das erfuhr. »Eigentlich hab ich sie kaum gekannt.«
    »Ich überhaupt nicht.« Cole schwieg einen Moment. Dann sagte er, in ganz anderem Tonfall: »Ich mag Grace.«
    Er sagte das, als wäre es etwas sehr Ernstes, und einen Augenblick lang dachte ich fast, er meinte es im Sinne von Ich mag Grace, was mich dann absolut verwirrt hätte. Doch er erklärte: »Ich mag, wie sie mit Sam zusammen ist. Ich hab nie an Liebe geglaubt, nicht richtig. Dachte immer, das wäre bloß was, was sich vor Ewigkeiten mal James Bond ausgedacht hat, um flachgelegt zu werden.«
    Ein paar Minuten lang lagen wir einfach da, ohne zu reden.

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