In deiner Hand
ja?“ Sie zwinkerte. Wie vor den Kopf gestoßen stand ich in der Haustür und sah meinem Ebenbild nach. Sie wirbelte aufgedreht herum, das leichte Sommerkleid flatterte um ihre schlanken Schenkel, und winkte mir zu.
Kurz und heftig bohrte sich der Schmerz in meine Brust. Ich musste mich an den Türrahmen lehnen, um nicht zusammenzusinken. Mum hüpfte mit wippendem Haarschopf die Auffahrt runter und stieg in ihren Beetle. Sie war so ein fröhlicher Mensch. Leicht zu beeindrucken und unglaublich naiv. Ihre Naivität hätte ihr beinahe das Leben gekostet. Doch Mum hatte nie etwas davon gewusst und würde es auch niemals erfahren. Nicht von mir!
Wehmut erfasste mich. Uns blieb nur noch dieser Sommer und ich wollte nicht daran denken, dass der Abschied ihr das Herz brechen würde. Sie war so verletzlich! Niemand würde da sein, um sie aufzufangen.
„Ist alles in Ordnung?“ Gadget tauchte im Flur auf, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben.
„Hmm.“ Ich schloss die Tür und ging zurück in die Küche. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum und wartete darauf, dass Gadget sich wieder setzte.
Ohne Umschweife eröffnete er das Gespräch.
„Du musst dich von ihm fern halten!“, warnte er mich mit eindringlicher Stimme.
Der Boden unter meinen Füßen wankte heftig. Alles Blut wich mir aus dem Gesicht.
Gadget weiß es? Gadget weiß von ihm? Aber woher? Oh Gott, ich hab doch immer aufgepasst, wenn ich zu ihm ins Auto gestiegen bin!
Nackte Panik schien mich jeden Moment zu überwältigen.
Mein Herz schlug mir plötzlich bis zum Hals. Mein Nacken kribbelte. Nervös sah ich mich um.
Er
hatte seine Ohren überall. Es war gefährlich über
ihn
zu reden! Ich beugte mich vor und sah Gadget direkt in die Augen. „Ich kann nicht“, flüsterte ich. Meine Hände zitterten unkontrolliert. Was tat ich hier? Redete mit meinem Lehrer über
ihn
! War ich noch ganz bei Trost?
Gadget senkte kommentarlos die Stimme. „Du musst!“
Ich schüttelte mich. „
Er
findet mich überall! Sie haben ja keine Ahnung …“
Gadget legte die hübsche Stirn in Falten und verschränkte die Arme vor der Brust. „So schwer ist das nicht, Verry! Geh ihm in der Schule einfach aus dem Weg.“
„In der Schule?“ Ich lehnte mich so schnell zurück, dass der Stuhl gefährlich nach hinten kippte. Mit rudernden Armen kämpfte ich um mein Gleichgewicht.
„Aus einem mir nicht ersichtlichen Grund, hegst du einen ausgesprochen aggressiven Groll gegen Erik Haiss.“
Erleichtert atmete ich auf. „Ach der.“ Ich massierte mir die pochenden Schläfen. „Er hat mich angefasst.“
Gadget zog eine Augenbraue hoch, was zugegeben ziemlich sexy aussah, und musterte mich ruhig. „Er hat einen Arm um deine Schulter gelegt, ist das korrekt?“
Ich nickte nur.
„Hat er dich …“ Er senkte den Blick, „belästigt?“
„Mit seiner Anwesenheit.“
„Das ist mein Ernst, Verry! Hat dich Erik Haiss belästigt, dich zu irgendetwas gedrängt, das du nicht wolltest? Hat er dir wehgetan?“
„Nein! Wie kommen Sie denn auf so einen Blödsinn?“
„Deine Akte!“ Das genügte mir. Er war also über alles im Bilde. Na toll!
Ich stöhnte genervt. „Sie sollten jetzt gehen.“
Er blieb sitzen.
„Ich kann allein auf mich aufpassen, klar?“
„Das weiß ich, Verry. Trotzdem wäre es vernünftiger, wenn du … einen Arzt konsultierst.“
Die letzten Worte hatte er geflüstert. Er mied meinen entsetzten Blick. Mit Arzt meinte er einen Psychiater, da war ich mir ganz sicher.
„Nur weil ich vier Typen die Hände gebrochen habe, soll ich mich auf eine Couch legen und mich bei einem Psycho ausheulen?“ Ich war aufgesprungen und stemmte die Hände fest auf den Tisch, ignorierte den stechenden Schmerz in meiner Schulter.
„Vielleicht wäre es für dich von Vorteil, wenn du dich einfach mal mit jemand Professionellem aussprichst.“ Er hob beschwichtigend die Hände.
Fuchsteufelswild schlug ich meine Faust auf den Tisch. „ICH BRAUCHE KEINEN PSYCHIATER!“, schrie ich ungehalten. „Sie sollten Ihre Nase nicht in Dinge stecken, die Sie nichts angehen.“
Er lehnte sich seufzend zurück. „Wenn du keine professionelle Beratung in Betracht ziehst, wirst du keinen Schritt mehr in deine Schule setzen.“
Das war ja wohl der Oberhammer.
Ich lachte trocken. „Wenn ich nicht zum Psychiater gehe, werde ich also rausgeworfen?“
Er nickte kurz. „Das ist die Bedingung der Direktorin.“
„Fein. Dann werde ich mir eine neue Schule suchen.“
„Deine Mutter wäre über
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