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In deiner Hand

In deiner Hand

Titel: In deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Tintenfee Lewis
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unserer wundervollen Nachbarn. Wie der Blitz preschte ich voran. Die Fahrzeit zu Mums Arbeitsplatz betrug bei mäßigem Verkehr ungefähr fünfzehn Minuten. Auf der Strecke versperrten ihr, wenn ich mich recht erinnerte, sechs Ampeln den Weg. Sechs Möglichkeiten, in denen einer von Maliks Lakaien zugreifen und sie am helllichten Tage einfach aus ihrem Auto zerren konnte. Am Ende der Straße angekommen hupte irgendein Vollspast so laut, dass ich erschrocken zur Seite sprang, weil ich dachte, er wollte mich in seiner Auffahrt über den Haufen fahren. Mit einem gekonnten Hechtsprung landete ich in einem Busch. Sofort blieb ich ruhig liegen, atmete flach und konzentriere mich auf das Gefühl einer Messerklinge in meinem Rücken. Nichts! Ich schnaufte erleichtert, denn das Messerchen war eigentlich nicht für mich bestimmt. „Verfluchte Scheiße!“, knurrte ich. „Hast du keine Augen im Kopf du blöder Vollidiot?“, blaffte ich ungehalten. Ich hätte aufgespießt werden können! Meine Güte!
„Verry?“, ertönte Gadgets Stimme hinter mir. Der hatte mir gerade noch gefehlt! Er trat neugierig um den Busch herum und linste zu mir runter. Dann reichte er mir seine Hand und half mir aus dem stacheligen Busch. Was für ein peinlicher Auftritt! „Kommst du wieder zu spät zur Schule? Soll ich dich hinfahren?“
„Nein!“, grummelte ich verstimmt. Mein Herz schlug mir noch immer bis zum Hals. Er warf einen Blick auf seine superglänzende Armbanduhr, die aussah, als hätte sie ein Vermögen gekostet und runzelte die Stirn. Erst da fiel mir auf, dass er völlig untypisch für einen Schultag gekleidet war. Gadget trug hellblaue Jeans und ein weißes Muskelshirt. „Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe“, meinte er und sah mir dabei zu, wie ich die Dornen aus meinem ebenfalls weißen Oberteil puhlte. „Ich habe es ein bisschen eilig.“
Dann verzieh dich! Ich habe keine Zeit für dich!
Gadget stand einfach nur blöd neben mir und musterte mich. „Wie fühlst du dich?“, wollte er wissen und machte ein Gesicht, als koste es ihn große Anstrengung, nicht noch mehr zu sagen. Er presste die Lippen fest zusammen und linste durch seine halb geschlossenen Lider zu mir runter. Sein Blick blieb an meiner Wange hängen, die seit gestern zusätzlich noch hübsche Kratzer aufwies. Unwillkürlich wich ich zurück, als er den Arm nach mir ausstreckte.
„Ich muss dann mal“, rief ich und flitzte weiter.
„Die Schule liegt aber in der anderen Richtung!“
„Weiß ich!“, brüllte ich und legte einen Zahn zu. An Häuserblocks und Geschäften rannte ich vorbei und nicht selten rempelte ich jemanden mit der Schulter an. Meine Lungen brannten wie Feuer und selbst meine Beine protestierten ob der fehlenden Aufwärmphase. Mum erreichte die Anwaltskanzlei ohne Zwischenfälle. Ich auch! Obwohl der Berufsverkehr träge vor sich her schaukelte, kam niemand in ihre Reichweite, um sie zu entführen. Dieses ständige Stop-And-Go zehrte an meinen Nerven. Nicht nur an meinen, wie ich schnell feststellte. Einige Autofahrer hämmerten entnervt auf ihrem Lenkrad herum. Einer wurde sogar rot wie eine Tomate und schrie sich die Kehle aus dem Leib. Speichel besprühte die Windschutzscheibe von innen, was ihn nur noch wütender werden ließ. Hätte man außer Acht gelassen, dass er gestresst im Verkehr feststeckte und bestimmt zu spät zur Arbeit kam, könnte man auch meinen er sei ein Metalhead, der gerade zu SlipKnoTs „Wait and Bleed“ abging. Dann endlich parkte Mum und kam kurz darauf Handtasche schwingend über die Straße gelaufen und eilte auf den hässlichen Betonklotz zu. Sie passte so gar nicht zu dem Gebilde aus Stein und Glas, das wie ein bedrohlicher Riese die Straße dominierte und jeden einschüchterte, der auch nur in dessen Nähe kam. Mum gehörte auf eine Wiese, oder in ein Ballettstudio. Selbst ein hübsches, kleines Café wäre besser, als dieses kalte, herzlose Gebäude. Allerdings hatte sie keine Ahnung vom Tanzen, auch wenn ihre Bewegungen etwas anderes vermuten ließen und im Kellnern hatte sie ebenso wenig Erfahrung. Das einzige was Mum machte, war Papiere sortieren, einheften und putzen. Achja! Den Kaffee kochte sie auch, den besten, wie die Angestellten ihr jedes Mal beipflichteten. Drecksarbeit, die man für gewöhnlich den Praktikanten oder Lehrlingen aufs Auge drückte. Im Oktober würde endlich die Abendschule losgehen. Mum plante ihren Abschluss nachzuholen und dann zu studieren. Früher hatte sie immer davon

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