In Den Armen Der Finsternis
das Treppenhaus. Von unten drang lautes Hämmern und Krachen zu uns hoch: das Kreischen von Metall. Vater Lawrence stieg die Treppe hinauf. Grant folgte ihm, doch seine Bewegungen waren langsam, was ihm gar nicht ähnlich sah, trotz seines Gehstocks. Er hustete erneut, und diesmal packte ich sein Handgelenk, bevor er seine Hand vor mir verbergen konnte. Blutspritzer bedeckten seine Handfläche. Es waren zwar nicht viele, aber genug.
Wir sagten kein Wort. Grant zog seine Hand aus meinem
Griff, drückte dabei jedoch meine Finger, bevor er sie ganz herausschlang.
Vater Lawrence klopfte ungeduldig auf das Geländer. Grant stieg weiter die Stufen hinauf, schneller, dabei trieb er sich auch mehr an. Ich ging als Letzte und beobachtete, wie Zee mir in den Schatten folgte, während Rohw und Aaz vollkommen lautlos über unseren Köpfen krabbelten und sich an den Wänden und den Unterseiten der Treppen festklammerten. Der Priester bemerkte es zwar nicht, aber Grant blickte in ihre Richtung. Sein Blick war hohl, er hatte die Zähne zusammengepresst.
Denk an Vater Ross wie an den alten Yeller, sagte ich mir und versuchte, eine Art Mitgefühl für den Toten aufzubringen. Yeller war mein Hund gewesen, der beste Freund eines kleinen Mädchens. Wegen Tollwut war er eingeschläfert worden. Das war eine tragische Geschichte gewesen, die wirklich auf die Tränendrüsen drückte.
Cry Me A River. Ich empfand überhaupt nichts, wenn ich über den Priester nachdachte. Bei der Vorstellung, dass jemand wie er einfach so losgelassen wurde - auf einem Schulhof vielleicht, in einem Krankenhaus oder in irgendeiner Stadt in irgendeinem Teil der Welt -, konnte ich mein Entsetzen gar nicht überwinden.
Also musst du zur Quelle gehen, sagte ich mir. Du musst den Schöpfer der Krankheit ausradieren.
»Was wissen Sie über diesen … Gabriel, von dem Cribari seine Befehle bekommen hat?«, fragte ich Vater Lawrence, während ich mit dem Blick seine kleine, rundliche Gestalt in dem dunklen Treppenhaus suchte.
»Ich habe ihn nie getroffen«, erwiderte der Priester scharf, wenn auch nach einem kurzen Zögern. »Ich wollte es nicht. Ich hatte den Eindruck, dass jeder, der diesem … diesem Wesen begegnet,
irgendwie verwandelt zurückkehrte, ob er es nun wollte oder nicht.«
»Kann sich Cribari mit ihm in Verbindung setzen?«
»Nein.« Vater Lawrence blieb auf einem Treppenabsatz stehen und wartete darauf, dass wir ihn einholten. Schweiß schimmerte auf seiner Stirn, und er war ein wenig außer Atem, genauso wie Grant. »Allerdings stecken wir nicht ständig zusammen. Leute kommen und gehen. Cribari kommt und geht auch. So war es jahrelang, doch vor drei Monaten hatte sich alles verändert. Er hatte sich verändert. Hier oben.« Der Priester tippte sich mit einem kurzen, dicken Finger an die Schläfe. »Er behauptete, ein Engel sei ihm erschienen, der ihm gesagt hätte, es wäre nun an der Zeit, den Auftrag unseres Ordens zu ändern.«
»Ihres Ordens?«, stieß Grant hervor, während er sich auf seinen Gehstock stützte. »Ist das ein Orden, der den Mord an kranken Priestern kaltblütig gutheißt?«
Vater Lawrence zögerte. In seinen Augen fand sich keine Spur von Wut, sondern nur Bedauern. »Unser Auftrag ist sehr alt. Wir tun, was getan werden muss. Selbst wenn es gegen die … Praxis der Vergebung verstößt.«
Grant schüttelte den Kopf. »Lassen Sie sich etwas Besseres einfallen.«
Vater Lawrence biss die Zähne zusammen und reichte mir seine Pistole. Stattdessen nahm Grant sie ihm ab, offenbar weil mir meine Abscheu vor dieser Waffe deutlich anzumerken war. Es war einfach nur ein Instinkt. Der Priester musterte mich ein wenig merkwürdig, sagte jedoch nichts. Dann rollte er seinen Ärmel hoch.
Auf der Unterseite seines Unterarms befand sich eine Tätowierung: verschlungene Linien, die mir kurz vor den Augen
verschwammen, da ich fast den Verstand verloren hätte, als ich sie sah. Ich kannte diese Linie und das Symbol.
Ich selbst trug es als Narbe unter meinem Ohr, direkt an meinem Kiefergelenk, unter meinen Haaren verborgen.
»Wir haben keine Namen«, erklärte Vater Lawrence ruhig. »Nur dies hier.«
Grant erstarrte, als er die Tätowierung sah. Ich lehnte mich gegen ihn und versuchte, meine Stimme wiederzufinden. »Was bedeutet diese Tätowierung?«
Vater Lawrence’ Augen glitzerten. »Vielerlei. Meistens Tod. Aber der Tod kann auch eine Wiedergeburt sein … oder eben eine Zerstörung. Das hängt ganz davon ab, aus welcher
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