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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Blick auf Vater Lawrence. »Was tun Sie hier eigentlich? Was geht hier vor?«
    »Wahnsinn«, antwortete der Priester und tippte mit dem Lauf der Waffe gegen seine Brust. »Und außerdem eine Reihe von Ereignissen, bei denen ich Ihre Beteiligung nicht verstehe, ehrlich gesagt. Ihre Anwesenheit dagegen«, er deutete auf mich, »passt vollkommen ins Bild.«
    »Großartig«, murmelte ich und stand endlich auf. »Entzückend. Wollen Sie das vielleicht mal erklären?«
    Vater Lawrence warf mir einen langen, festen Blick zu. »Im Augenblick sind zehn Männer im ersten Stock dieses Gebäudes eingesperrt. Einige von ihnen versuchen sich zu einem lahmgelegten Aufzug Zutritt zu verschaffen. Der Rest möchte zweifellos die abgeschlossene und verbarrikadierte Tür zum Treppenhaus aufbrechen. Es wird ihnen früher oder später auch gelingen, sie zu öffnen. Wenn das passiert, sollten Sie aber längst verschwunden sein. Es sei denn, Sie möchten gern ein paar Männer ermorden, die einfach nur Befehle befolgen.«
    »Männer, die mich umbringen wollen.«

    »Männer, die ihn fangen sollen.« Vater Lawrence deutete auf Grant. »Sie sollen Sie nur ablenken, wenn es sein muss, auch indem sie ihr Leben opfern. Was sie zweifellos tun werden, wenn sie sich Ihnen mit den Waffen, die Sie bei sich tragen, nähern.«
    »Sie wissen viel zu viel über mich«, erwiderte ich.
    »Ich weiß jedenfalls genug, um Angst zu haben«, antwortete Vater Lawrence. »Und ich weiß auch genug, um sicher sein zu können, dass ich keine Angst zu haben brauche.«
    Er sah Grant an. »Sie werden also wirklich nicht hier weggehen, ohne zu versuchen, ihm zu helfen?«
    »Nein«, erwiderte Grant entschlossen.
    »Verdammt!«, gab Vater Lawrence zurück, zielte mit der Pistole auf die Brust von Vater Ross und drückte ab.
    Es war ein kleiner Raum. Der Knall war also ohrenbetäubend, die Distanz war sehr gering. Das Blut hätte den ganzen Raum vollspritzen … und die Wunde in der Brust hätte so groß wie mein Kopf sein müssen.
    Aber nein. Die Kugel durchschlug die Brust von Vater Ross so leicht wie ein Finger durch Wasser gleitet. Es gab weder Blut noch überhaupt eine Wunde. Dafür öffnete der Priester die Augen, holte tief Luft und stemmte die Schultern gegen die Riemen. Er war so bleich wie der Tod.
    Dek pfiff eine Warnung in mein Ohr. Grant machte einen Satz auf Vater Ross zu, und ich trat vor ihn hin, um ihn zu blockieren. Aber unsere Bewegungen erregten die Aufmerksamkeit des gefesselten Priesters. Ich fühlte mich plötzlich wie eine Maus, die vor einer Schlange erstarrt und verzweifelt versucht, unsichtbar zu werden.
    Zu spät. Er drehte den Kopf und sah uns an, ohne jede Emotion - und auch, ohne sich anmerken zu lassen, ob er Grant erkannte.
Seine Augen waren menschlich. Sie waren von einem wässrigen Grün, so hell wie der Schaum des Meeres. Und einen kurzen Moment lang, nur einen Herzschlag lang, dachte ich, alles wäre in Ordnung.
    Dann erinnerte er sich. Ich sah, wie es passierte, im Bruchteil einer Sekunde: Eben noch war er ein Mensch gewesen - und dann schon etwas anderes, nämlich etwas Archaisches und Kaltes. So als sei ein Stück der Seele des Mannes abgetrennt und durch das Herz eines reinen animalischen Hungers ersetzt worden, eines gedankenlosen und gnadenlosen Hungers.
    Er versuchte sich auf uns zu stürzen. Sein Körper war ganz steif vor Anspannung. Als er den Mund öffnete, blickte ich in einen schwarzen Schlund, in dem sich zahllose Reihen von Zähnen befanden, eine geradezu unmögliche Anzahl davon, wie bei Piranhas. Ich erstarrte, während mein Inneres zu einem harten, heißen Knoten zu schrumpfen schien und mein Herz weh tat. Dieses namenlose Ding in der Haut des Priesters flößte mir mehr Entsetzen ein als jeder Dämon es vermocht hätte, sogar mehr noch als die Aussicht, dass der Gefängnisschleier fiel.
    Dämonen hatten so etwas wie einen Ehrenkodex, so rücksichtslos sie auch sein mochten. Diese Kreatur dachte nur ans Töten. Ich konnte es schmecken.
    Er erweckt seine Schöpfungen wieder zum Leben , hatte Jack gesagt. Er ließ sie von der Leine. Als sei die Erde nur ein gottverdammter Spielplatz für Mörder. Es war unmöglich zu sagen, wie viele Menschen der Avatar bereits verwandelt hatte, Menschen wie Vater Ross oder Franco oder dieses unsichtbare Wesen in den Wäldern, das Jack und mich verfolgt hatte.
    Na, und wenn schon!
    »Sie wollten wissen, warum wir keine Bestattungszeremonien für die Nonnen abhalten mussten?«, fragte

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