In Den Armen Der Finsternis
Vater Lawrence
ruhig, während Vater Ross gegen seine Fesseln wütete. »Weil von ihren Leichen nichts übrig geblieben ist.«
»Ich kann ihn erreichen«, sagte Grant eindringlich, während er seinen früheren Freund ansah. »Ich kann ihn zurückholen, ich sehe …«
»Nein«, entgegnete Vater Lawrence und schoss erneut auf den Priester. Diesmal traf er ihn in den Kopf.
Die Wirkung war diesmal jedoch eine andere. Die Kugel schlug in Vater Ross’ Stirn ein, zerfetzte sie, trat durch den Hinterkopf wieder aus und nahm den größten Teil des Hirns mit. Blut und Hirnmasse tropften von der Wand. Ich erinnerte mich an meine Mutter, doch die Gedanken an sie hinderten mich nicht daran, mich schützend vor Grant zu werfen. Er versuchte, an mir vorbeizukommen. Aber er wollte gar nicht zu dem toten Priester, sondern starrte Vater Lawrence nur an. Grants Augen glühten vor Wut - vor Wut und vor Trauer.
Vater Lawrence trat zurück und erwiderte diesen schrecklichen Blick. Doch das einzige Zeichen von Bedauern oder Furcht waren seine zitternden Hände. Mit der Linken umklammerte er sein rechtes Handgelenk, um die Hand und die Waffe darin zu stützen. Er richtete sie auf den Boden. Hätte er sie woandershin gehalten, so hätte ich ihn wahrscheinlich getötet.
»Sie können mich hassen«, sagte er gelassen zu Grant. »Aber hier steht mehr auf dem Spiel, als lediglich einen Mörder zu retten, der freiwillig zugestimmt hatte, dass man … so etwas … mit ihm tat.«
»Niemals hätte er das getan«, flüsterte Grant. »Nicht Luke.«
Im Blick des Priesters lag Mitleid. »Ich weiß nicht, warum man Sie gezwungen hatte, die Kirche zu verlassen, aber das ist nun schon zehn Jahre her. Nachdem Sie verschwunden waren
hat sich Vater Cribari um Vater Ross gekümmert und ihn unter unsere Fittiche geholt…«
»Unter Ihre Fittiche?«, unterbrach Grant ihn heiser. »Was hat das zu…?«
»Später.« Vater Lawrence ging rückwärts zur Tür und trat Cribari gegen den Kopf, als er über ihn hinwegstieg.
Der Priester rührte sich jedoch nicht. Er atmete, war allerdings noch bewusstlos. Vielleicht lag er im Koma. Hoffen durfte ich das ja wohl. Ich fragte mich, warum Vater Lawrence ihn nicht auch noch erschoss, da er doch offenbar so gern herumballerte. Ich hielt aber den Mund. Ob Cribari nach dem, was Grant mit ihm gemacht hatte, überhaupt noch bei Verstand sein würde, war ebenfalls eine überflüssige Frage. Er war doch schon ein toter Mann. Zee hatte seinen Anspruch auf ihn angemeldet.
Ich zupfte an Grants Arm. Als er sich nicht rührte, küsste ich seine Schulter und legte meine Wange auf seine Brust. Erstickend keuchte er auf. Ich schloss die Augen, als mich der Schmerz um ihn fast überwältigte. Dennoch tat es mir nicht leid, dass Vater Ross tot war.
»Komm«, flüsterte ich.
»Ich hätte ihn retten können.« Vor Trauer und Wut waren seine Augen gerötet. »Maxine, ich habe Luke in ihm gesehen, hinter dieser animalischen Kreatur. Er litt unerträgliche Schmerzen.«
Ich legte meine behandschuhte Rechte unter sein Kinn und zwang ihn, mich anzusehen. Ich sagte kein Wort, sondern ließ ihn einfach meine Aura lesen, mein Herz, meine Augen. Ich liebe dich, dachte ich. Ich bin hier, ich bin bei dir. Ich versuchte diese Botschaften in die Aura zu senden, die mich umgab. Fast so wie eine Botschaft in einer Flasche.
Von unten drang ein Krachen zu uns herauf. Vater Lawrence fluchte leise. »Jetzt oder nie.«
Grant schloss die Augen. Mit seiner großen, warmen Hand streichelte er meine Wange und liebkoste mit dem Daumen meinen Mundwinkel. Dann beugte er sich herab und küsste mich zart auf die Wange. Er zitterte und roch nach Schweiß und Krankheit. Es machte mir Angst, diese Schwäche in ihm zu fühlen. Es war, als sei etwas Lebenswichtiges aus ihm herausgesickert.
»Jägerin Kiss«, drängte Vater Lawrence, der bereits im Flur stand.
Grant nahm meine Hand und umfasste mit der anderen den Griff seines Gehstocks. Schweigend führte er mich von Vater Ross’ Leichnam weg und half mir über Cribaris bewusstlosen Körper hinweg. Wir traten zu Vater Lawrence in den Flur, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
Er führte uns den Flur entlang. In der Kathedrale hätte ich noch gesagt, dass der Priester wie eine weiche, schaukelnde Kugel ging. Sein Gang hatte sich zwar nicht verändert, doch sah ich ihn jetzt mit anderen Augen. Das Schaukeln wirkte nun eher anmutig, und seine Weichheit hatte überhaupt nichts mit Vorsicht zu tun.
Wir erreichten
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