In den Armen der Nacht
werden.
»Sag ihm, er soll endlich die Klappe halten«, brüllte Rurik. »Diese Memme.«
»Schnauze, du Versager«, ranzte Kassian Sergei an.
Sergei schrie weiter, worauf Ilya ihm hart in den Solarplexus boxte. Daraufhin sackte er in sich zusammen und stöhnte zum Steinerweichen.
Während die drei Russen hitzig miteinander debattierten und folglich nichts mitbekamen, packte Rurik in Tasyas Haar, riss ihren Kopf zurück und küsste sie innig.
Küsste sie zum Abschied.
Zunächst sträubte sie sich. Dann umschlang sie seinen Nacken und erwiderte seinen Kuss.
Als er sich von ihr löste, murmelte er: »Versuch nicht, mich zu retten. Misch dich bloß nicht ein. Rette dich selbst.«
Mochte sie sich mental weiterhin gegen das Unvermeidliche sträuben, ihr Kuss verriet ihm die Wahrheit. Sie wusste, was sie zu tun hatte. »Während du für mich den Kopf hinhältst?«
»Haben wir eine Alternative? Entweder du schnappst dir die Ikone und läufst um dein Leben, oder wir sterben hier beide.«
»Ich laufe nicht weg.«
»Dann stirbst du, und der Teufel kommt ein weiteres Mal in den Besitz der Ikone, und die Varinskis triumphieren.«
Sie schüttelte immer wieder ratlos den Kopf.
»Ja oder nein, Tasya?«
Sie nickte widerstrebend.
Er positionierte sich zwischen sie und die Varinskis und sagte: »Mach’s gut, Kleines.«
»Ich werd’s versuchen.«
»Vertrau mir.«
»Ja.«
Er fixierte sie intensiv.
Ihr Blick suggerierte wilde Entschlossenheit. »Ich vertraue dir.«
»Tut mir leid, aber es muss sein.« Er holte erneut aus, und Tasya schluchzte mit theatralisch verzogener Miene: »Hör auf, hör endlich auf, du elender Dreckskerl!« Gleichwohl taten die beiden weiter so, als lägen sie sich heftig in den Haaren.
Hinter ihnen stöhnte und lamentierte Sergei.
Als hätte er schließlich genug von ihrer Auseinandersetzung, schnellte Rurik mit einem Mal herum und wandte sich aufgebracht zu den anderen. »Verdammte Scheiße, heb mal endlich einer die verfluchte Ikone auf!«
Als ein weiterer Varinski gellend aufschrie, grinste Rurik.
Tasya grinste zurück, ihr Gesicht mittlerweile rot angelaufen von ihrer überzeugenden Darstellung.
Er schnellte zu seinen Cousins herum, sah die Ikone am Boden liegen und Ilya, der seine ausgestreckte Hand mit der anderen umklammert hielt und dabei herzerweichend stöhnte.
Kassian war wohl der Schnellmerker in der Gruppe. Er hatte mittlerweile kapiert, was Sache war. »Mist, aber ich schätze mal, dass wir das blöde Ding nicht anfassen dürfen.« Er deutete auf Tasya. »Sie soll das machen.«
»Da hast du endlich mal eine gescheite Idee.« Rurik wollte Tasya zu der Ikone schieben.
Sie hielt ihn mit einer Hand fest und raunte ihm leise zu: »Ich brauche Blut im Gesicht und irgendwelche Prellungen.«
Er erstarrte. Sicher, bei der Air Force war es nach dem einen oder anderen Bier zu viel gelegentlich zu einem handfesten Streit gekommen, und er hatte sich mit seinen Brüdern gefetzt, aber er hatte in seinem ganzen Leben noch nie eine Frau geschlagen. Was sie hier veranstalteten, war schließlich bloß Show. Und Tasya zu schlagen, nein, das brachte er nicht übers Herz.
»Na mach schon, hau zu«, drängte Tasya. »Ich hab in guten Kinderheimen gelebt, aber ich hab auch ein paar verdammt miese kennen gelernt. Da war Prügeln an der Tagesordnung.«
Er hob die Hand und ließ sie wieder sinken.
In ihren blauen Augen flackerte ein wildes Feuer. »Wenn du es nicht tust, muss ich mich selbst verletzen. An irgendeinem Felsen oder so.«
»Okay. Ich mach’s.« Er schluckte schwer und schloss die Augen. Stellte sich vor, sie wäre einer seiner Brüder. Schlug sie so fest, dass ihre Lippe aufplatzte und sich auf ihrer Wange ein blutunterlaufenes Mal bildete.
»Du Idiot, das hat wehgetan!« Reflexartig schoss ihre Faust vor, um zurückzuschlagen, sank dann jedoch schlaff hinunter.
Wie üblich war ihr erster Instinkt, sich zu wehren.
»Ich weiß.« Er packte sie am Arm, schubste sie in Richtung Ikone und brüllte in barschem Ton: »Heb sie auf! Pack sie in deinen Rucksack! Du trägst sie!«
Sie stolperte vorwärts. Tastete nach der Ikone. Hob sie
mit einem leidvollen Blick auf. Dabei blitzte der Heiligenschein der Madonna im Sonnenlicht auf.
Rurik hoffte, dass dies ein Omen war, ein positives Zeichen, dass sein Opfer nicht vergeblich wäre.
Sie steckte die Ikone in ihren Rucksack, sammelte ihre ringsum verstreuten Sachen ein, Kleider, Müsliriegel, ihre Kamera. In geduckter Haltung, wie
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