In den Armen der Nacht
sich fantastischen Sex mit der Frau, die er liebt, bevor er in einer Schlacht fällt.«
»Mit der Frau, die er … du …« Es war nicht das erste Mal, dass er von Liebe sprach, aber sie hatte ihm nicht geglaubt. Durfte sie jetzt noch zweifeln?
»Ja, ich liebe dich.« Er kniete sich vor sie und band ihr den Schuh zu.
»Nein, tust du nicht.«
»Tasya, ich bin dreiunddreißig Jahre alt. Mag sein, dass ich bisher noch nie richtig verliebt war, aber dieses Mal hat es mich ernsthaft erwischt. Ich weiß, was ich für dich empfinde.«
Puh, was sollte sie dazu sagen? Wie sollte sie es ihm erklären? Er hatte ihr Vertrauen gewinnen können, er hatte ihre Rachevisionen mit einer brutalen Dosis Wahrheit zerstört, und er war bereit, für sie zu sterben. Aber er war ein Varinski. Ihr Feind , verdammt.
Irgendwie hatte das Wort keine Bedeutung mehr.
»Ist schon okay.« Er half ihr beim Aufstehen und steckte ihr die Pistole hinten in den Gürtel. »Ich weiß, du liebst mich nicht. Wenn ich Zeit hätte, würde ich dich bestimmt vom Gegenteil überzeugen. Weißt du, die Vorstellung macht mich glücklich.«
»Vielleicht«, murmelte sie. »Bestimmt.« Sie griff unter den Altar und schnappte sich ihren Rucksack.
Er half ihr, ihn überzustreifen.
Der Rucksack schien ihr unendlich schwer, als lastete das Gewicht der Ikone noch schwerer auf ihren Schultern, nachdem Rurik sich zu ihr bekannt hatte.
Die Ikone war bloß ein Heiligenbild, redete sie sich ein. Ein Gegenstand, dem es völlig egal war, wer ihn mit sich herumschleppte, wohin und weshalb. Tasya rang um Fassung, sie musste sich schleunigst in den Griff bekommen, ehe sie alles ausplauderte und Rurik die Wahrheit enthüllte - aber vielleicht war das ohnehin das Beste, was sie machen konnte.
»Los, komm.« Sie sprang den Hügel hinunter, verdrängte ihre Eingebung.
Er folgte ihr, überholte sie und hielt auf den Eingang der Höhle zu.
Er stoppte neben dem gähnend schwarzen Loch in der Erde.
»Was?«, stammelte sie, obwohl ihr sonnenklar war, was ihm vorschwebte.
»Ich möchte, dass du den Weg durch die Höhle nimmst.«
»Nein.«
»Du hast es schon einmal gemacht. Du findest den Weg hinaus.«
»Nein!«
»Zwei der Varinskis transformieren sich in Raubvögel. Sie können dich nicht verfolgen. Wenn ich Kassian übernehme, kannst du fliehen.«
»Erstens gehe ich da nicht mehr rein.« Sie holte tief Luft. »Und zweitens lass ich dich nicht allein. Wenn, dann sterben wir beide.«
Rurik musterte sie forschend. Er hatte keine Ahnung, was sie mehr umtrieb - ihre Furcht vor der Dunkelheit und der stockfinsteren Höhle oder ihre Hartnäckigkeit, mutig mit ihm ausharren zu wollen. Himmel, er konnte sie schließlich nicht mit Gewalt in diesen unterirdischen Gang zwingen! Und ohne ihre beherzte Entschlossenheit wäre sie nicht die Tasya, die er liebte. Punkt.
Folglich nickte er. »Okay, dann komm mit.«
Er verfiel in einen hektischen Laufschritt und lauschte auf Tasya, die ihm schwer atmend folgte. Er hatte das Gelände erkundet und sich im Voraus eine Fluchtroute überlegt.
Dergleichen hatte sein Vater ihm beigebracht.
Er hetzte den Hang hinauf in Richtung Gipfel.
Kassian war eine andere Sache. Kassian war erfahren und knallhart, er scheute nicht einmal davor zurück, die beiden Jüngeren vorzuschicken, um Rurik kleinzukriegen.
Er war durch und durch ein Varinski.
Sie liefen durch ein Wäldchen, passierten eine Lichtung mit verstreuten Findlingen, bevor sie erneut in den Schutz des Waldes eintauchten.
Rurik spitzte die Ohren, lauschte auf verräterische Geräusche.
Da war es: Flügelschlag. Das leise Knacken von Kiefernnadeln unter huschenden Wolfsläufen.
Kassian hatte ihn verflucht schnell aufgespürt.
»Sie kommen.« Anspannung und Angst schwangen in Tasyas Stimme.
Rurik verlangsamte seine Schritte. Jetzt bestand kein Grund mehr zur Eile.
Er zog Tasya vor sich und raunte ihr zu: »Denk immer daran: Du darfst den Kopf nicht verlieren. Komm ihnen nicht in die Quere. Sobald sich eine Chance ergibt, greife ich an, und dann rennst du wie der Teufel. Bleib bloß nicht stehen, sondern lauf um dein Leben!«
»Rurik, ich muss dir etwas beichten.« Sie wirbelte zu ihm herum.
Er blickte auf. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit!« Er schob sie beiseite.
Blitzartig schoss Sergei aus den Wolken, seine grau gefiederten Schwingen weit ausgebreitet. Er landete auf einem riesigen Findling und verwandelte sich. Blöde lachend blickte er an seiner hünenhaften Gestalt
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