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In den Armen der Nacht

Titel: In den Armen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd Beate Darius
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eindeutig das Nachsehen.
    Sergei konnte sie nirgends entdecken; er blieb ihren Blicken verborgen.
    Aber sie sah Kassian. Er stand auf einem hohen Felsquader, spannte eben einen Bogen - und zielte mit dem angelegten Pfeil auf Rurik.

29
    D er Pfeil surrte so atemberaubend schnell durch die
    Luft, dass Tasya nicht einmal mehr Zeit zu einem laut gellenden Warnschrei blieb. Die Spitze bohrte sich
in das Gefieder des Falken, brachte ihn von der Flugbahn ab, und einen entsetzlichen Moment lang sah Tasya das rotglühende Aufblitzen in seinen Augen. Dann erlosch das Feuer.
    Der Raubvogel stürzte wie ein Stein zur Erde und verschwand irgendwo in den Baumkronen.
    Sie schrie aus Leibeskräften, legte ihre ganze Energie, ihre Angst, ihre Emotionen in einen Protest gegen das Leben, das sie unweigerlich zu dieser … dieser Bestimmung geführt hatte.
    Kassian Varinski hörte sie. Und schnellte zu ihr herum. Sein Mund verzog sich zu einem hässlichen Grinsen, das weiß schimmernde Zähne entblößte. Dann spitzte er die Lippen zu einem angedeuteten Kuss, der Demütigung, Vergewaltigung, Tod verhieß.
    Tasya kochte vor Wut und verwünschte ihr erbarmungswürdiges Schicksal, das sie von klein auf verfolgte. Sie machte unwillkürlich einen Satz in Richtung Kassian.
    Aber nein. Wenn sie sich mit diesem Wüstling anlegte, um Rurik zu retten, dann wären die Ikone und Ruriks geliebte Familie womöglich verloren.
    Zumal sie ihn nicht mehr zu retten vermochte. Sie hatte genau gesehen, wie der Lebensfunke in seinen Augen erloschen war.
    Inzwischen war ihr vieles klar geworden. Sie war dumm gewesen, hatte den falschen Träumen nachgejagt. Das war bitter. Es hatte keinen Sinn, Rache zu nehmen für das unsägliche Leid, das ihrer eigenen Familie angetan worden war - davon wurden ihre Eltern auch nicht wieder lebendig.

    Allerdings konnte sie die Wilders retten, Ruriks Familie. Seine Eltern hatten ihn in die Welt gesetzt, ihn erzogen und zu einem Mann geformt, der sein Leben für sie und die Ikone aufs Spiel gesetzt hatte.
    Und er sollte sich nicht vergeblich geopfert haben.
    Tasya nahm sich fest vor, strikt nach Ruriks Anweisungen vorzugehen. Ihr war bewusst, dass es nicht einfach werden würde, die Ikone nach Washington zu bringen. Trotzdem, sie würde es schaffen - egal wie.
    Zwar konnte sie einen Varinski nicht töten, sie konnte ihn jedoch verletzen. Ernsthaft verletzen.
    Mit eiskalter Entschlossenheit klemmte sie sich das Gewehr in die Schulterbeuge, peilte durch das Zielfernrohr.
    Kassian erfasste die Situation mit einem Blick. Er stürmte den Berg hinunter zu der Stelle, wo Rurik aufgekommen war.
    Sie schoss und verfehlte ihr Ziel.
    Er verschwand aus ihrem Blickfeld.
    »Feigling! Verdammter Feigling!« Er gehörte ausgeschaltet! Verfluchter Mist! Sie wollte endlich mit ihm abrechnen.
    Der Adler krächzte triumphierend, spreizte die Flügel und glitt nach unten.
    Ihr brodelnder Zorn wich dumpfem Hass. Dieses Mal zielte sie kühl besonnen und betätigte den Abzug.
    Die Kugel durchbohrte die Brust des Raubvogels.
    Der Seeadler zerbarst in einer Wolke aus schwarzen und weißen Federn, und der Gleitflug ging über in einen freien Fall.
    Geschieht dir recht, du Armleuchter.

    Sie hätte ihren Triumph zu gern länger ausgekostet, aber ihr blieb keine Zeit. Ihre Flucht drängte.
    Rurik hatte Recht. Es gab nur einen möglichen Fluchtweg.
    Sie rannte den Weg zurück, den sie gekommen waren, hielt Ausschau nach dem schwarz verkohlten Baumstamm, der den Eingang zu der Höhle markierte.
    Da war er.
    Sie schob ihren Rucksack und das Gewehr durch den schmalen Spalt, der zwischen den aufgeschichteten Findlingen klaffte. Dann zwängte sie sich selbst durch die Öffnung, ließ sich langsam hinabgleiten, bis ihre Füße frei in der Luft baumelten.
    Ihre Aufgabe war klar: Flucht durch den Tunnel. Die Ikone in Sicherheit bringen.
    Jetzt musste sie bloß noch loslassen.
    Loslassen, um in der gähnenden Dunkelheit zu verschwinden, wo nichts war, kein Leben, nicht mal ein tröstlicher Lufthauch …
    Was hatte sie schon zu verlieren?
    Das Schlimmste, was überhaupt passieren konnte, war passiert.
    Rurik war tot.
    Sie musste weiterleben.
    Fass dir ein Herz und spring.
    Sie tat es. Sie landete im weichen Lehm und japste erschrocken auf. Ein Sonnenstrahl, der durch die Felsspalte in die Tiefe fand, malte silberne Sterne auf ihr Haar. Der Tunnel wand sich von ihr fort in betäubend kohlschwarze Finsternis, die in ihren Augen schmerzte. An seinem Ende, das wusste

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