In den Armen der Nacht
Ersten«, wiederholte sie. »Ich glaube nie und nimmer, dass es nicht schon vorher irgendwelche Morde gab. Ich nehme die Namensliste mit und überprüfe sie auf dem Revier.«
»Ich kann dir gerne helfen, allerdings … nicht jetzt«, meinte Roarke nach einem Blick auf seine Uhr. »Inzwischen hinke ich nämlich mit meiner eigenen Arbeit hinterher. Ich arbeite noch kurz zu Hause, um neun habe ich die erste Besprechung im Büro.«
»Du hast gesagt, dass du von hier aus arbeiten wirst.«
»Nein, ich habe gesagt, dass wir darüber heute Morgen streiten werden.« Er strich mit einem Finger über ihr herausfordernd gerecktes Kinn. »Ich kann meine Arbeit genauso wenig unterbrechen wie du deine, Lieutenant, und falls jemand mich beobachtet, käme es ihm sicher seltsam vor, wenn ich die ganze Zeit zu Hause wäre, statt meinen diversen Tätigkeiten nachzugehen. Ich verspreche dir, sehr vorsichtig zu sein. Ich gehe garantiert keine unnötigen Risiken ein.«
»Vielleicht haben wir beide ja unterschiedliche Definitionen dieses Begriffs.«
»Das glaube ich nicht. Komm her.«
»Ich bin doch hier.«
»Komm ein bisschen näher.« Lachend zog er sie an seine Brust. »Ich mache mir Sorgen um dich, und du machst dir Sorgen um mich.« Er schmiegte sein Gesicht an ihre Wange. »Damit wären wir quitt.«
»Ich trete dir in den Hintern, wenn dir was passiert.«
»Ich dir andersherum auch.«
Damit musste sie sich wohl zufriedengeben, dachte Eve und kämpfte sich durch den Verkehr in Richtung des Reviers. Selbst der Flugverkehr wirkte noch dichter als an anderen Vormittagen. Luftbusse und Lufttaxis drängten sich am Himmel und ließen die Überwachungshubschrauber der Polizei, die in dem verzweifelten Bemühen, den Verkehr halbwegs in Fluss zu halten, surrend zwischen den Wolkenkratzern schwebten, kaum an sich vorbei.
Obwohl immer behauptet wurde, dass Fliegen schneller war, zog Eve den Lärm und den Gestank sowie die kilometerlangen Autoschlangen unten auf den Straßen vor.
Nachdem sie sich im Schritttempo durch die Columbus Avenue geschoben hatte, stand sie abermals im Stau. Ein Schwebegrill war umgestürzt, und während sein Besitzer wütend auf und ab sprang, stürzten sich die Passanten wie die Geier auf die über den Asphalt rollenden Softdrinkdosen und Snacks.
Einen Augenblick lang tat es ihr leid, dass sie zu sehr in Eile war, um die Plünderer zu stören, denn das hätte ihr den Tag eindeutig versüßt. So rief sie einfach auf der nächsten Wache an, meldete den Vorfall, schaltete das Blaulicht ein – war es nicht wunderbar, wie die Arschlöcher mit einem Mal die Beine in die Hände nahmen? –, ging in die Vertikale und hob von der Straße ab.
Okay, sie liebte ihre neue Kiste, gestand sie sich, wenn auch widerwillig, ein.
Sie flog über den Stau hinweg, erhaschte einen letzten Blick auf den Schwebegrillbetreiber, der erbost die Fäuste Richtung Himmel schüttelte, setzte drei Blocks weiter wieder auf der Straße auf und beschloss, lange genug auf den Autopiloten zu vertrauen, um die Anrufe zu tätigen, zu denen sie bisher noch nicht gekommen war. Sie hinterließ Nachrichten für die Dysons und für Mira, reservierte für zehn Uhr einen Konferenzraum, bestellte sämtliche Teammitglieder zu einer Besprechung ein und bedauerte zutiefst, dass sie das Zusammentrommeln der Kollegen nicht mehr einfach Peabody aufhalsen konnte, da die inzwischen nicht mehr ihre Assistentin war.
Als sie das Revier erreichte, schmiegte sich ihre Partnerin direkt vor der Tür ihrer Abteilung so eng an McNab, als wären sie zwei Teile eines perversen Puzzles.
»Ich habe heute zur Abwechslung gefrühstückt.« Eve blieb neben den beiden Turteltauben stehen. »Aber wenn ich Sie beide derart aneinanderkleben sehe, kommt es mir gleich wieder hoch.«
»Ich gebe meinem Schatz nur einen Abschiedskuss.« Peabody drückte ihrem Liebsten einen übertrieben lauten Schmatzer auf den Mund.
»Jetzt wird mir ganz sicher schlecht. Das hier ist kein Sexclub, sondern ein Polizeirevier. Heben Sie sich diese Dinge also gefälligst für den Feierabend auf.«
»Unsere Schicht fängt erst in zwei Minuten an.« McNab kniff seinem Schätzchen in den Po. »Bis später, She-Body.«
»Bis dann, mein toller Hecht.«
»Oh bitte.« Eve legte eine Hand auf ihren Bauch. »Ich würde die Waffeln wirklich gerne drin behalten.«
»Waffeln?« Peabody wirbelte in ihren bunt karierten
Chucks herum. »Sie haben Waffeln gegessen? Gab es irgendeinen besonderen
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