In den Armen der Nacht
Postern von einigen New Yorker Sehenswürdigkeiten geschmückt.
»Dave sagt, Sie haben ein gutes Gedächtnis für Namen und Details.«
»Dafür werde ich auch gut bezahlt. Möchten Sie sich vielleicht setzen? Hätten Sie gern … Gott, ich weiß nicht, was ich noch im Kühlschrank habe. Ich war nicht mehr auf dem Markt, seit …«
»Kein Problem, wir möchten nichts«, erklärte Peabody mit begütigender Stimme. »Das ist eine hübsche Wohnung. Vor allem die Couch ist wirklich toll.«
»Mir gefällt sie auch. Ich meine, die Wohnung. Sie liegt in einem ruhigen Haus in einer ruhigen Gegend, ich habe es nicht weit bis zur Kanzlei, und wenn mir der Sinn nach irgendwelchem Treiben steht, brauche ich nur einen halben Block bis zur U-Bahn zu spazieren und schon bin ich mittendrin.«
»Hier in dieser Gegend sind die Wohnungen doch sicher ziemlich teuer«, meinte Eve.
»Das stimmt. Deshalb habe ich auch eine Mitbewohnerin. Oder besser, hatte«, verbesserte sie sich. »Jilly ist
Stewardess und fliegt überwiegend auf der Strecke New York–Vegas II. Sie ist so oft unterwegs, dass wir uns nur selten sehen und uns deshalb nicht auf die Nerven gehen.«
»Und jetzt ist sie ausgezogen?«, fragte Eve.
»Sie hat mich vor ein paar Tagen angerufen. Ihr Heimatflughafen ist jetzt auf Vegas II, und deshalb …« Sade zuckte mit den Schultern. »Aber das ist nicht weiter schlimm. Inzwischen kann ich die Miete von meinem Gehalt auch gut allein bezahlen. Grant und Dave – verdammt. Dave ist ein unglaublich großzügiger Mensch. Er erhöht mir regelmäßig das Gehalt.«
Trotzdem sah sie niedergeschlagen aus. »Glauben Sie, dass ich das hier auf der Beerdigung tragen kann? Vielleicht ist es zu morbide. Ein schwarzer Hosenanzug. Ich meine, Beerdigungen sind morbide, aber vielleicht –«
»Ich finde Ihre Garderobe völlig angemessen«, stellte Peabody mit ruhiger Stimme fest. »Sie zeugt von Respekt. «
»Okay, okay. Ich weiß, es ist vollkommen dämlich, dass ich mir darüber Gedanken mache. Weshalb in aller Welt sollte sich irgendwer für meine Kleidung interessieren, während … ich hole mir ein Wasser. Möchten Sie nicht vielleicht doch etwas?«
»Nein, aber holen Sie sich ruhig etwas.« Eve stand auf und schlenderte hinter Sade in die aufgeräumte Küche. »Sade, können Sie sich an einen Fall erinnnern, der von Grant bearbeitet worden ist? Kirkendall gegen Kirkendall. Seine Mandantin hieß Dian.«
»Geben Sie mir einen Moment Zeit.« Sie holte eine Flasche Wasser aus einem Minikühlschrank, lehnte sich gegen die lippenstiftrote Arbeitsplatte und dachte gründlich nach. »Scheidung und Sorgerecht. Der Typ hat sie regelmäßig geschlagen. Er war beim Militär, zum Zeitpunkt
der Scheidung allerdings schon pensioniert. Trotzdem ein wirklich gemeiner Hurensohn. Sie hatten zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Als er anfing, auch die Kinder zu misshandeln, hat Dian endlich den Hintern hochgekriegt. Wenn auch nicht sofort.«
Sie öffnete die Flasche und hob sie nachdenklich an ihren Mund. »Er scheint sich aufgeführt zu haben wie ein General. Oder eher wie ein Tyrann. Arbeitspläne, Befehle, Disziplin. Die drei haben jahrelang vor ihm gekuscht, bis sie endlich in ein Frauenhaus geflüchtet ist, wo ihr jemand unsere Kanzlei empfohlen hat. Die Frau hatte nicht nur Angst vor ihrem Mann, sondern war völlig panisch. So etwas erleben wir leider ziemlich oft.«
»Das Gericht hat zu ihren Gunsten entschieden.«
»Und zwar in jeder Hinsicht. Grant hat sich für den Fall auch wirklich krummgelegt.« Ihre Augen fingen an zu schimmern, doch sie nahm einen großen Schluck von ihrem Wasser und kämpfte entschlossen gegen die aufsteigenden Tränen an. »Wie so viele Frauen hatte sie die Misshandlungen durch ihren Mann viel zu lange vor aller Welt versteckt. Sie hat nie die Polizei gerufen, und wenn jemand anderes sie gerufen hat, hat sie stets behauptet, es wäre alles okay. Ihre Verletzungen hat sie in verschiedenen Krankenhäusern behandeln lassen, damit auch dort niemand etwas bemerkt. Aber Grant hat, ohne dass er dafür auch nur einen Cent gesehen hätte, jede Menge Arbeit in die Suche nach den behandelnden Ärzten und Schwestern investiert und hat obendrein mehrere psychologische Gutachten eingeholt. Die Anwälte des Mannes waren echt gerissen. Sie haben versucht, es so aussehen zu lassen, als wäre Dian psychisch gestört und hätte sich die Verletzungen entweder selber zugefügt oder sie von irgendwelchen Kerlen zugefügt
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