In den Armen der Nacht
hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst. »Das ist vollkommen unmöglich. Das kommt nicht in Frage.«
»Ms Corday, Sie sind die nächste Verwandte, die das Kind noch hat.«
»Sie können ja wohl kaum behaupten, dass ich für sie so etwas wie Familie bin.«
»Aber zumindest hatten Sie eine Beziehung zu einem Teil ihrer Familie. Einer Familie, die vor ihren Augen ermordet worden ist. Sie ist ein Kind, ein trauerndes, verängstigtes, unschuldiges Kind.«
»Es tut mir wirklich furchtbar leid, was da passiert ist. Aber ich kann nichts dafür. Ich bin dafür nicht verantwortlich. Weder für das, was geschehen ist, noch für dieses Kind.«
»Wer ist dann für sie verantwortlich?«
»Es gibt nicht ohne Grund offizielle Stellen, die für derartige Fälle zuständig sind. Offen gestanden ist mir nicht ganz klar, was Sie diese ganze Sache angeht oder weshalb Sie in der Erwartung hierher gekommen sind, dass ich mich eines Kindes annehme, dem ich in meinem ganzen Leben nie begegnet bin.«
Er wusste, wann ein Deal fehlgeschlagen war und wann man ein Vorhaben am besten vergaß. Trotzdem unternahm er noch einen Versuch. »Ihr Stiefbruder –«
»Warum nennen Sie ihn so?«, fragte sie erbost. »Mein Vater war weniger als zwei Jahre mit seiner Mutter zusammen. Er war für mich ein Fremder, weder er noch seine Familie haben mich jemals interessiert.«
»Sie hat niemanden mehr.«
»Das ist nicht meine Schuld.«
»Nein. Das ist die Schuld der Männer, die bei ihr zu Hause eingebrochen sind und ihren Eltern, ihrem Bruder und ihrer kleinen Freundin die Kehlen durchgeschnitten haben. Weshalb sie keine Familie und auch kein Zuhause mehr hat.«
»Was eine Tragödie ist«, stimmte ihm Corday emotionslos zu. »Trotzdem bin ich nicht bereit, in die Bresche zu springen, damit sie wieder ein Zuhause hat. Dass Sie offenkundig denken, die Möglichkeit, Sie als neuen Mandanten zu gewinnen, brächte mich dazu, es mir
vielleicht anders zu überlegen, empfinde ich als regelrecht beleidigend.«
»Das sehe ich. Sie haben nicht einmal gefragt, ob ihr bei dem Überfall auf ihre Familie etwas zugestoßen ist.«
»Weil es mir egal ist.« Aus Zorn oder vielleicht auch aus Verlegenheit stieg ihr eine leichte Röte ins Gesicht. »Ich habe das Leben und die Karriere, die ich will. Wenn ich Kinder haben wollte, würde ich eigene bekommen. Ich habe sicher nicht die Absicht, die Kinder anderer Leute großzuziehen.«
»Dann habe ich einen Fehler gemacht.« Damit stand er auf. »Ich habe zu viel von Ihrer Zeit beansprucht und vor allem meine eigene Zeit vergeudet. Tut mir leid.«
»Grants Mutter war eine von unzähligen Frauen, mit denen mein Vater zusammen war. Was für einen Grund sollte ich haben, die Verantwortung für seine Tochter zu übernehmen, ein Kind, das mir noch nie begegnet ist?«
»Offenkundig keinen.«
Wütender auf sich selbst als auf Leesa Corday stapfte er aus dem Raum.
Eve verließ die Schule und sah sich suchend zwischen den geparkten Autos, den Fußgängern und den Fahrzeugen auf der Straße um.
»Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie uns bis hierher verfolgen konnten«, stellte die hinter ihr stehende Peabody fest. »Selbst wenn sie das Equipment und genügend Leute hätten, um das Revier rund um die Uhr zu überwachen, müssten sie wirklich gut sein oder bräuchten wirklich großes Glück, um zu wissen, mit welchem Wagen wir losgefahren sind.«
»Bisher waren sie wirklich gut und hatten auch wirklich großes Glück. Wir gehen also besser kein Risiko
ein.« Sie zog den Scanner aus der Tasche und schaltete ihn ein.
»Das Ding ist aber nicht aus unserem Fundus.«
»Nein, es ist von Roarke. Falls sie Sprengstoff an meinem Wagen anbringen wollen, gehen sie sicher davon aus, dass ich einen Polizeiscanner benutze, und stellen sich bei der Wahl des Sprengstoffs darauf ein.«
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sicher und behaglich ich mich immer in Ihrer Nähe fühle. Vor allem aber habe ich einen Bärenhunger. Da drüben ist ein Feinkostladen. «
»Ich habe augenblicklich keine Lust auf irgendwelches Zeug aus einem Feinkostladen, vielen Dank. Ich muss nämlich immer daran denken, ob vielleicht gerade hinten im Lager zwischen den Oliven und dem Käse irgendeine Tussi irgendeinem Typen einen bläst.«
»Tja, nun, vielen Dank. Jetzt habe ich auch keine Lust mehr auf den Feinkostladen, nur hat mir im Gegensatz zu Ihnen heute Morgen niemand Waffeln mit Sirup vorgesetzt. Da drüben ist ein Chinese. Wie wäre es mit einer
Weitere Kostenlose Bücher