In den Armen der Nacht
ins Leichenschauhaus und wieder hierher zurückbrachte. Damit meinte sie nicht nur einen möglichen Absturz, wie sie ihn immer fürchtete, wenn sie mehrere hundert Meter über der Erde durch die Lüfte schwebte, sondern auch einen möglichen Angriff, den sie dadurch riskierte, dass sie tat, worum sie von Mira gebeten worden war.
»Das Risiko ist minimal«, erklärte Roarke, als der Hubschrauber geschmeidig auf dem Rasen landete. »Wir werden den Sichtschutz und das Anti-Scanning-Programm einschalten, selbst wenn sie uns beobachten, finden sie in der kurzen Zeit, die wir für den Flug benötigen,
ganz sicher nicht heraus, dass einer der Passagiere Nixie ist.«
Eve runzelte argwöhnisch die Stirn, denn zu allem Unglück zogen die von Peabody vorhergesagten dunklen Regenwolken direkt über ihren Köpfen auf. »Vielleicht schießen sie uns ja einfach ab.«
Er musste lächeln, als er ihren säuerlichen Ton vernahm. »Wenn du das für möglich halten würdest, würdest du sie gar nicht erst einsteigen lassen.«
»Okay, nein. Aber trotzdem bringen wir es, verdammt noch mal, am besten so schnell wie möglich hinter uns.«
»Ich will schnell noch gucken, ob jemand versucht uns aufzuspüren oder die Elektronik zu blockieren. Damit müsste ich in einer halben Stunde fertig sein. Keine Angst, wir halten deinen Zeitplan ein.«
Nach genau dreißig Minuten meinte Eve »Dann los« und winkte Mira, dass sie Nixie bringen sollte, während Roarke ein paar Worte mit dem Piloten wechselte und sich dann selbst hinter den Steuerknüppel schwang.
»Ich bin noch nie in einem Hubschrauber geflogen«, stellte Nixie fest. »Super.« Trotzdem schob sie ihre Hand über den Sitz, bis sie Miras Fingerspitzen fand.
Roarke blickte über seine Schulter und sah sie lächelnd an. »Bist du bereit?«
Als sie nickte, hob er ab.
Sanfter, merkte Eve, als wenn sie die einzige Passagierin war. Wenn sie alleine flogen, kehrte er mit Begeisterung den tolldreisten Flugkünstler heraus, beschleunigte abrupt, tauchte in die Tiefe, und zwar, weil er wusste, dass er sie damit in den Wahnsinn trieb. Dieses Mal jedoch lenkte er den Jetcopter trotz des hohen Tempos mit der Umsicht und Geschmeidigkeit des Mannes, der wusste, dass sich eine kostbare Fracht an Bord befand.
Typisch, dass er daran dachte. Typisch, dass er auch
in kleinen Dingen eine derartige Rücksicht nahm. War es vielleicht das, was ihr selber fehlte? Die Fähigkeit zu echtem Mitgefühl, weil sie ständig mit Gewalt und Brutalität beschäftigt war?
Trueheart spielte mit dem Mädchen, Baxter machte Scherze, Peabody fand vollkommen problemlos stets die rechten Worte und den rechten Ton. Selbst Summerset, der froschgesichtige Dämon aus der Hölle, versorgte und ernährte sie, ohne dass es dabei auch nur zu den allerkleinsten Zwischenfällen kam.
Und Roarke war einfach Roarke. Egal, was er darüber sagte, dass die Kleine Furcht einflößend war. Er ging genauso locker mit ihr um, wie er den verdammten Helicopter flog.
Wohingegen sie am liebsten einfach davongelaufen wäre, sobald sie auf das Mädchen traf. Sie hatte keine Ahnung, wie man mit Kindern umging. Ihr fehlte der Instinkt.
Vor allem konnte sie ganz einfach nicht das Grauen der Erinnerung verdrängen, das immer in ihr aufstieg, wenn sie die Kleine sah.
Jetzt drehte sie den Kopf und bemerkte Nixies Blick.
»Mira sagt, sie müssen an einem Ort sein, an dem es möglichst kalt ist.«
»Ja.«
»Aber sie können nicht mehr frieren, also ist das okay.«
Eve wollte die Feststellung mit einem Nicken abtun, dann aber dachte sie, Himmel, gib ihr irgendwas. »Morris – Dr. Morris«, verbesserte sie sich, »hat sich um sie gekümmert. Es gibt keinen Besseren als Dr. Morris. Also ja, es ist okay.«
»Sie verfolgen uns«, erklärte Roarke ihr leise, sie schwang wieder zu ihm herum.
»Was?«
»Sie verfolgen uns.« Er zeigte auf einen kleinen, von grünen und roten Linien durchzogenen Monitor. »Besser gesagt, sie versuchen es. Nur kriegen sie uns nicht zu fassen. Ah, das muss wirklich frustrierend sein.«
Sie blickte auf den Bildschirm und versuchte die Symbole zu entziffern. »Kannst du zurückverfolgen, woher es kommt?«
»Möglich. Ich habe den Rückverfolgungsmechanismus eingeschaltet, bevor wir losgeflogen sind, vielleicht haben wir ja Glück. Es ist ein mobiler Suchsender, so viel kann ich dir schon sagen.«
»Auf dem Boden oder in der Luft?«
»Auf dem Boden. Wirklich clever. Sie versuchen, mein Signal zu klonen. Sie haben auch
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