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In den Armen der Nacht

In den Armen der Nacht

Titel: In den Armen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.D. Robb
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richtigem Zucker gebacken. Sie hat immer so getan, als ob das ein Geheimnis wäre, aber ich weiß, dass Mom gesagt hat, es wäre okay.«
    Wieder kletterte sie von dem Hocker. Jetzt war sie nicht mehr bleich, sondern hatte ein vom Weinen gerötetes Gesicht. Das Zittern ihrer Brust verriet, wie sehr sie sich bemühen musste, nicht völlig die Fassung zu verlieren, ehe der Besuch beendet war.
    »Linnie ist nicht hier. Sie haben sie schon abgeholt. Sie haben sie mich nicht sehen oder mich Abschied von ihr nehmen lassen, weil sie böse auf mich sind.«
    »Das sind sie nicht.« Eve sah das Mädchen an. »Ich habe heute mit Linnies Mutter gesprochen, sie hat mir gesagt, dass sie nicht böse auf dich ist. Natürlich ist sie traurig, so wie du. Sie ist furchtbar traurig, aber böse auf dich ist sie nicht. Sie hat sogar nach dir gefragt. Sie wollte sichergehen, dass mit dir alles in Ordnung ist.«
    »Sie ist nicht böse? Versprechen Sie, dass sie nicht böse ist?«
    Eves Magen zog sich schmerzlich zusammen, doch sie behielt ihre äußere Ruhe bei. Wenn sich das Kind zusammenreißen konnte, bei Gott, dann konnte sie es auch. »Ich verspreche dir, dass sie nicht böse auf dich ist. Ich konnte nicht erlauben, dass du Abschied von Linnie nimmst, das war meine Schuld. Es wäre einfach nicht sicher gewesen, also habe ich entschieden, dass du sie nicht noch einmal siehst.«
    »Wegen der bösen Männer?«
    »Ja.«

    »Dann ist es ihre Schuld«, erklärte Nixie schlicht. »Jetzt will ich meine Mutter sehen. Kommen Sie mit?«
    Oh Himmel, dachte Eve, nahm aber Nixies Hand und trat mit ihr vor die Lade, die Morris aus dem dunklen Schubfach zog.
    Eve kannte das Gesicht inzwischen gut. Eine hübsche Frau, die die Form des Mundes an die Tochter weitergegeben hatte. Jetzt war sie wachsweiß mit einem leicht überirdischen blauen Schimmer und war auch wachsweich, wie es bei Toten üblich war.
    Nixies Finger zitterten, als sie die Hand ausstreckte und über die weiche, weiße Wange ihrer Mutter strich. Als sie den Kopf in Höhe der mütterlichen Brust auf das weiße Laken legte, stieß sie ein leises, schmerzerfülltes Jaulen aus.
    Als sie nur noch leise wimmerte, trat Mira neben sie und strich mit einer Hand über ihr blondes Haar. »Sie wäre sicher froh und stolz, weil du gekommen bist. Kannst du jetzt Abschied nehmen, Nixie?«
    »Ich will nicht.«
    »Oh, Baby, ich weiß, und das weiß sie auch. Es ist entsetzlich hart, Abschied von jemandem zu nehmen, den man liebt.«
    »Ihr Herz schlägt nicht mehr. Wenn ich mich auf ihren Schoß gesetzt und meinen Kopf an ihre Brust gelegt habe wie eben, habe ich ihr Herz schlagen gehört. Jetzt schlägt es nicht mehr.« Sie hob den Kopf, wisperte ein paar leise Abschiedsworte, stieg zum letzten Mal von dem kleinen Hocker und sah Morris an.
    »Danke, dass Sie sich um sie kümmern.«
    Er nickte stumm, trat an die Tür und hielt sie auf. Als Eve hinter Mira und dem Mädchen an ihm vorüberging, murmelte er leise: »Man meint, dass man in diesem Job alles erträgt. Dass es nichts gibt, was einen noch wirklich
aus der Fassung bringen kann. Aber, grundgütiger Himmel, dieses Kind hat mich völlig fertiggemacht.«
    »Anmut war in jedem ihrer Schritte, in ihrem Blick der Himmel, und jede ihrer Gesten drückte Würd’ und Liebe aus.«
    Als er Roarke jetzt ansah, gelang Morris ein schmales Lächeln. »Gut gesagt. Ich bringe Sie jetzt wieder raus.«
    »Woher war das?«, fragte Eve. »Das, was du gerade gesagt hast.«
    »Aus Verlorenes Paradies. Das ist von einem Dichter namens Milton. Es erschien mir passend, weil das, was wir eben erlebt haben, eine zu Herzen gehende Form der Poesie war.«
    Sie atmete tief durch. »Bringen wir sie zurück.«
     
    Als sie wieder nach Hause kamen, brachte Mira Nixie zu Summerset hinauf und kehrte mit dem Versprechen, sofort zurückzukommen, kurz nach unten zu den anderen zurück.
    Roarke sah die beiden Frauen an, entschuldigte sich höflich und kehrte, vorgeblich um sofort mit seiner Arbeit fortzufahren, in sein Büro zurück.
    »Ich weiß, dass das schwierig für Sie war«, begann die Psychologin.
    »Es geht hier nicht um mich.«
    »Zu einem bestimmten Grad geht es bei jedem Fall um Sie, sonst wären Sie nämlich nicht so gut. Sie haben die Gabe, Ihre Objektivität mit Mitgefühl zu mischen.«
    »Vorhin haben Sie aber noch etwas ganz anderes gesagt. «
    »Sie hat das gebraucht, was Sie ihr gegeben haben. Sie wird dieses Grauen irgendwann verwinden. Sie ist viel zu stark, um daran

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