In den Armen der Nacht
finden.« McNab verbot sich jedes Mitgefühl, als er stumme Tränen über Roxannes Wangen rollen sah. »Was mit Ihrer Hilfe deutlich schneller gehen wird.«
»Joshua. Bitte, würdest du mir ein Glas Wasser holen?«
Er sah ihr forschend ins Gesicht, stand dann aber mit einem kurzen Nicken auf. »Bist du dir sicher?«, fragte er. »Bist du dir wirklich sicher?«
»Nein, aber ich weiß, dass ich so nicht mehr leben kann und will.« Als er den Raum verließ, atmete sie langsam ein. »Ich glaube, für ihn ist es noch schlimmer. Er arbeitet so hart, und es kommt so wenig dabei heraus. Wir waren glücklich in New York. So eine aufregende Stadt, so voller Energie. Wir hatten beide Jobs, die wir geliebt haben und in denen wir erfolgreich waren. Wir hatten uns gerade ein hübsches Haus gekauft. Weil ich schwanger war. Meine Schwester …«
Sie brach ab und zwang sich zu einem Lächeln, als ihr Mann mit einem Glas Wasser aus der Küche kam. »Danke, Schatz. Meine Schwester war geschädigt, ich schätze, so kann man es formulieren. Er hatte sie geschädigt. Durch jahrelange körperliche, seelische und geistige Misshandlung. Ich habe versucht sie dazu zu überreden, dass sie ihn verlässt, dass sie sich Hilfe holt. Ich habe mit ihr geredet, aber sie hatte zu viel Angst oder steckte einfach zu tief in der Sache drin, und ich war
schließlich nur die kleine Schwester, die keine Ahnung hat. Sie hat immer gesagt, es wäre ihre Schuld. Inzwischen habe ich mich eingehend mit diesem Phänomen befasst, und ich bin mir sicher, Sie kennen sich ebenfalls zur Genüge damit aus.«
»Zu gut«, stimmte Peabody ihr zu.
»Er ist schlimmer als alles und jeder andere. Nicht nur, weil er so mit meiner Schwester umgegangen ist. Es ist nicht so, dass es ihm Spaß macht, andere zu quälen und ihnen Schmerzen zuzufügen. Das Schlimmste daran ist, dass es ihm nicht das Mindeste bedeutet. Er konnte ihr den Finger brechen, weil sie das Essen zwei Minuten später, als nach seinem Zeitplan vorgesehen war, aus der Küche brachte, dann hat er sich in aller Seelenruhe an den Tisch gesetzt. Können Sie sich vorstellen, so zu leben?«
»Nein, Ma’am. Nein«, wiederholte Peabody. »Das kann ich nicht.«
»Er hat sie, Dian und auch die Kinder, als sein Eigentum betrachtet. Aber erst, als er anfing, auch den Kindern wehzutun, war sie in der Lage, sich aus diesem Sumpf zu ziehen. Er hatte auch sie bereits geschädigt, aber sie dachte, dass sie sie beschützt, indem sie die Familie zusammenhält. Er hat sie misshandelt, hat sie regelmäßig hart bestraft, wenn einer von ihnen gegen seine Art der Disziplin verstoßen hat. Er hat sie tagelang im Keller eingesperrt – Einzelhaft, hat er das genannt –, hat sie eine Stunde unter der kalten Dusche stehen lassen oder ihnen zwei Tage nichts zu essen gegeben, einmal hat er meiner Nichte alle Haare abgeschnitten, weil er der Ansicht war, dass sie sich zu lange gebürstet hat. Dann hat er angefangen, Jack zu schlagen, meinen Neffen. Das würde ihn härter machen, hat er gesagt. Eines Tages, als Roger nicht im Haus war, hat meine Schwester
ihren Sohn mit Rogers Armeepistole in seinem Zimmer stehen sehen. Er hatte ihn geladen und hielt ihn sich hierhin …«
Sie presste ihre Finger an die Halsschlagader und führte mit rauer Stimme aus: »Er wollte sich umbringen. Dieser achtjährige Junge hätte eher seinem Leben ein Ende gemacht, als auch nur noch einen Tag mit diesem Monster zu ertragen. Da ist sie endlich aufgewacht und ist gegangen. Sie hat die Kinder mitgenommen, sonst nichts. Sie hat noch nicht mal eine Tasche gepackt. Es gab Frauenhäuser, von denen ich ihr erzählt hatte, in eins von diesen Häusern hat sie sich geflüchtet.«
Roxanne schloss unglücklich die Augen und nahm einen großen Schluck aus ihrem Glas. »Ich weiß nicht, ob sie es ohne die Kinder wirklich durchgezogen hätte. Aber nachdem sie ihn endlich verlassen hatte, geschah ein kleines Wunder. Langsam, aber sicher wurde sie wieder sie selbst. Ein paar Wochen später hat sie einen Anwalt angeheuert und die Scheidung eingereicht. Es war ein schreckliches Verfahren, aber sie hat es durchgestanden. Sie hat sich gegen ihn zur Wehr gesetzt, und der Richter gab ihr in allen Punkten Recht.«
»Sie hatte nie die Absicht, sich an die Auflagen zu halten, in New York zu bleiben und ihn jemals die Kinder wieder sehen zu lassen«, stellte Peabody fest.
»Ich weiß es nicht. Sie hat nie etwas davon gesagt, hat nie was angedeutet, aber nein, ich glaube, das
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