In den Armen der Nacht
ihren Augen und ihrem Mund entfernt. Wir werden also keine Spuren an ihr finden.«
Sie beugte sich über die Tote und schnupperte an ihr. »Riecht nach Krankenhaus. Antiseptisch. Vielleicht finden ja die Jungs im Labor noch etwas mehr heraus. Auch wenn uns das kaum weiterbringen wird. Sie hat sich die eigene Lippe durchgebissen.« Damit stand Eve wieder auf, stemmte sich die Hände in die Hüften und sah sich in der Gasse um.
Abgesehen von den normalen, überquellenden Recyclern, die in einer Ecke standen, sah selbst die Gasse überraschend sauber aus. Statt des widerlichen Abfalls, der sonst immer von Pennern, Junkies, Straßennutten und Freiern zwischen Häusern zurückgelassen wurde, gab es nur ein paar teilweise durchaus künstlerische Graffiti, sonst nichts.
Sie wandte sich an den Kollegen, der als Erster am Fundort erschienen war. »Was wissen Sie über dieses Restaurant, den Laden, aus dem man hier in diese Gasse kommt?«
»Es ist nicht nur ein Restaurant, sondern ein alternatives Zentrum, in dem Workshops und Kurse angeboten werden und lauter so Zeug. Das Restaurant gehört dazu. Sie bauen einen Großteil des Gemüses im Greenpeace Park an und bringen den Rest aus ihren Kommunen mit. Der Laden ist blitzsauber, und das Essen, das sie dort servieren, ist ausnehmend gesund.«
»Selbst die Gasse scheinen sie in Schuss zu halten.«
»Ja. Ich meine, ja, Madam. Wir werden nicht oft hierher gerufen.«
»Die Frau, die sie gefunden hat, wie heißt sie?«
Er klappte eilig sein Notizbuch auf. »Leah Rames.«
»Trueheart, bleiben Sie hier. Wahrscheinlich kommt jeden Augenblick die Spurensicherung.«
Sie selbst betrat den Lagerraum des Restaurants, blickte auf die ordentlich verstauten Vorräte und ging weiter in die angrenzende Küche, die ebenfalls erstaunlich aufgeräumt und vor allem blitzsauber war.
Irgendetwas dampfte auf dem riesengroßen Herd, der Herd selbst war blank geschrubbt. Die Arbeitsflächen waren weiß, und die Dinge, die dort lagen, deuteten auf die Vorbereitung einer Mahlzeit hin. Wer hätte je gedacht, dass man so viele Dinge dafür brauchte, überlegte Eve. Es gab große Kühlschränke, einen enormen Ofen, und nirgends war ein zivilisierter AutoChef zu sehen.
Mehrere Personen, alle in langen, weißen Schürzen, saßen auf Hockern um eine Arbeitsinsel, ein paar von ihnen hackten mit gefährlich aussehenden Messern irgendwelches Gemüse klein, andere hockten einfach da. Alle blickten auf, als sie den Raum betrat.
»Leah Rames?«
Eine schlanke Frau von Mitte vierzig mit langem, zu einem festen Zopf geflochtenem, sandfarbenem Haar hob wie ein kleines Schulmädchen die Hand. Ihr Gesicht war kreidebleich.
»Ich bin Leah. Wissen Sie, was mit der armen Frau passiert ist?«
Die klaffende Halswunde hätte ihr einen Hinweis darauf geben müssen, doch etwas an der Ernsthaftigkeit, mit der sie fragte, und auch an der Ernsthaftigkeit ihrer Umgebung hielt Eve von einer sarkastischen Antwort ab.
»Ich bin Lieutenant Dallas von der Mordkommission. Ich leite die Ermittlungen in diesem Fall.«
»Sie sind Dees Chefin – Partnerin«, verbesserte sich Leah und versuchte zu lächeln. »Ist sie auch hier?«
»Nein, sie hat gerade etwas anderes zu tun. Sie kennen Detective Peabody?«
»Ich kenne die ganze Familie. Mein Lebensgefährte und ich haben in der Nähe der Peabodys gelebt, bevor wir hierher umgezogen sind.« Sie legte eine Hand auf die Hand des Mannes, der direkt neben ihr saß.
»Wir haben unser Zentrum und das Restaurant vor acht Monaten eröffnet. Peabody und ihr Freund waren ein-, zweimal zum Essen hier. Können Sie uns sagen, was passiert ist? Wir kennen jeden hier in der Gegend. Darauf legen wir großen Wert. Ich weiß, dass es hier ein paar raue Gestalten gibt, aber ich kann einfach nicht glauben, dass einer unserer Gäste oder Nachbarn zu so etwas fähig ist.«
»Sie haben keine Überwachungskamera über der Hintertür. «
»Nein«, sagte der Mann. »Wir glauben an Vertrauen. Und daran, dass man etwas zurückgeben sollte, wenn man etwas bekommt.«
»Deshalb«, erklärte Leah, »teilen wir, wenn wir abends schließen, Essen in der kleinen Gasse aus. Wir haben bekannt gegeben, dass wir diesen Service so lange aufrechterhalten, wie die Gasse sauber bleibt und niemand sie benutzt, um dort irgendwelche illegalen Geschäfte zu betreiben oder jemand anderem wehzutun. In den ersten Wochen war es noch ein bisschen schwierig, aber schließlich hat das Essen, das wir kostenlos verteilen, doch
Weitere Kostenlose Bücher