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In den Armen des Dämons: Roman (German Edition)

In den Armen des Dämons: Roman (German Edition)

Titel: In den Armen des Dämons: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolyn Jewel
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was sie tatsächlich erlebt hatte. In ihrer Erinnerung verlieh sie dem, was sie gesehen hatte, eine gewisse Monstrosität, weil das, was sich ereignet hatte, tatsächlich monströs war. Und so erzählte sie von dem, was geschehen war.
    » Niemand zeigt gegenüber Magellan Ungehorsam.« Carson war kein Mensch, der einfach drauflosplapperte. Stets redete sie mit Bedacht, es war ihr wichtig, die Worte sorgsam auszuwählen. Besonders jetzt. » Er würde niemals seine Stimme erheben, doch jeder weiß, wann er verärgert ist. Es ist schrecklich.«
    Sie war ganz nach vorn auf die Sesselkante gerutscht, beugte sich nun vor, die Knie zusammengepresst. » Er war wütend auf mich. Von mir wurde erwartet, dass ich seine Assistenten nicht belästigte. Und es wurde erwartet, dass ich auch ihn nicht belästigte, wenn er mit seiner Arbeit beschäftigt war. Bis dahin hatte ich das auch noch nie getan. Aber ich brauchte so dringend Hilfe.«
    Sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar. » Er war wütender, als ich ihn je zuvor erlebt hatte. Tibold war bei ihm. Er führte mich aus dem Raum.« Sie schauderte allein bei der Erinnerung daran. Und fand es seltsam, wie sehr es sie erleichterte, nun davon zu erzählen. » Er öffnete das Fläschchen für mich. Doch als er gegangen war, hatte ich plötzlich Angst, die Pillen zu nehmen.« Sie blickte Nikodemus an, um zu sehen, wie er reagierte. Sein Gesicht verriet nichts, blieb ohne jede Regung. » Weil ich mit tödlicher Sicherheit wusste, dass ich nicht mehr sicher war. Ich konnte nicht länger bleiben. Deshalb bin ich weggerannt.« Zitternd atmete sie ein. » Tja, und dann bin ich hier gelandet.«
    » Und hast nichts mitgenommen außer der Kleidung, die du anhast.«
    » Ja. Genau.« Sie blickte an sich herab. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch nie eine Jeans getragen. » Aber das sind gar nicht meine Sachen.« Sie legte ihre Hände in den Schoß und verschränkte sie. » Ich wusste, dass er mich suchen würde, deshalb wollte ich mein Äußeres verändern. Magellan mag es nicht, Dinge zu… zu verlieren. Und dann bist du mir gefolgt.«
    Nikodemus, der Mann, der den gleichen Namen wie ein fünftausend Jahre alter Dämon trug, nickte. Ihre Blicke trafen sich, und sie spürte eine merkwürdige Anziehungskraft, als zöge Nikodemus mit einem unsichtbaren Band an ihr. Doch sie wagte es nicht, ihn danach zu fragen. Sie wollte nicht laut aussprechen, was in ihrem Kopf vorging.
    » Nun ja, wenn ich sagen müsste, wer denn nun verrückt geworden sei, dann würde ich auf mich tippen.«
    » Du bist nicht verrückt.«
    Vor ihrem inneren Auge sah sie erneut Magellan mit seinen von Blut geröteten Händen, und sie spürte immer noch die Kühle des Raums. Sie sah den Wahnsinn in Magellans Augen, und sie sah auch wieder dieses Wesen vor sich, das im einen Moment ein Mensch war und gleich darauf etwas Nicht-Menschliches und dann tot. Sie spürte ein weiteres Mal, wie das Leben aus ihm schwand. Aus ihm– dem Monster. Nichts würde jemals diese Erinnerungen auslöschen können. Nicht einmal, wenn sie fünftausend Jahre alt werden würde.
    » Das ist alles?«
    » Ja.«
    » Ganz sicher?«
    Sie schaute weg, dann wieder zu ihm hin. » Ja.« Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie kaum sprechen konnte, und ihre Worte waren nicht mehr als ein Flüstern. » Weißt du, was mir immer wieder durch den Kopf geht?«, sagte sie. » Wozu würde es dich machen, Nikodemus, wenn all die Legenden über Wüstendämonen wahr wären?«
    Er schien nachzudenken. » Zu einem Warlord ohne spezielle Aufgaben?«
    Carson musterte ihn, doch sie hätte nicht sagen können, ob er scherzte oder nicht. Machte sie sich jetzt selbst verrückt?
    Nikodemus zuckte mit den Schultern. » Nun ja, zu einer dieser Kreaturen, die Magellan unbedingt ins Jenseits befördern will«, fügte er hinzu.
    » Kommst du aus China? Aber dann hättest du dunkle Augen.« Sie blickte in seine, die grau-blau waren.
    » Wieso?«, fragte er. » Woher willst du das wissen? Falls es tatsächlich so etwas wie Dämonen gibt, warum sollten sie dann die gleichen rassischen und herkunftsbedingten Merkmale wie die Menschen zeigen?«
    » Warum sollten sie überhaupt wie Menschen aussehen?«
    Wieder neigte er den Kopf zur Seite. » Gute Frage, Carson.«
    » Ich finde, du siehst ganz normal aus«, erwiderte sie. » Wie ein ganz normaler Durchschnittsmann.« Ihre Stimme drohte ihr plötzlich zu versagen, und ohne zu fragen, nahm sie schnell einen Schluck aus Nikodemus’ Flasche.

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