In den Armen des Dämons: Roman (German Edition)
Nunchucks. Das Gerät war ihr vertraut, weil Magellans Männer ständig damit spielten.
Nikodemus hatte einen Ellbogen auf das hochgezogene Knie gestützt. Wieder fielen Carson seine schlanken Finger auf. Und die langen Beine. Die schmalen Hüften. Und die ausgeprägten Muskeln. So nah, wie sie vor ihm stand, waren sie nicht zu übersehen. Kein Wunder, dass er keine Angst vor Kynan hatte.
» Du nimmst den Sessel«, sagte er. » Du solltest nicht zu bequem sitzen.«
» Okay.« Ihr Mund wurde trocken. Sie stellte ihre Tasche auf den Boden und setzte sich. Der Sessel war wirklich unbequem. Carson blickte zur Decke hinauf. Ganz schwach funkelten dort Bronzesterne im Putz, liefen, zu einem Muster geordnet, hin zu einer Wand und an dieser hinab zu einem kupfernen Krug, der so platziert war, dass es schien, als fielen die Sterne hinein. Oder vielleicht stiegen sie auch aus ihm auf.
» Ich bin bereit, dir eine Chance zu geben und dich nicht von vornherein zu verurteilen.« Nikodemus’ Stimme klang nun ganz ernst. Sein freundliches Lächeln war verschwunden.
Es war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, dass er ihr nicht vertrauen könnte. Die Vorstellung, dass sie nicht die Einzige war, die jedes Recht hatte, misstrauisch zu sein, irritierte sie. Was hatte sie sonst noch übersehen?
» Für was hältst du mich?«, wollte sie wissen.
» Für eine grünäugige Hexe, die beinahe von Kynan Aijan ins Jenseits befördert worden wäre.«
Sie umklammerte die Sessellehnen. » Du kennst ihn.«
» Magellan lässt Kynan immer dann auf jemanden los, wenn er ernsthaften Schaden anrichten will.«
» Kynan hasst mich. Das war schon immer so.«
» Ja. Natürlich. Du bist eine Hexe.«
Carson blinzelte.
» Ich werde dich nicht töten, wenn es das ist, was du denkst. Ich will lediglich die Wahrheit herausfinden.«
» Ich habe dir die Wahrheit gesagt.«
» Nein. Jedenfalls nicht die ganze Wahrheit.« Er legte den Kopf schief. » Wie wäre es, wenn du mir alles erzählen würdest? Von dem Moment an, als du zum letzten Mal etwas › Normales‹ getan hast, bis jetzt.«
Carson kauerte sich in dem Sessel zusammen, doch auch damit konnte sie nicht die Kälte vertreiben, die ihr in die Knochen kroch. » Nichts in meinem Leben ist normal.«
» Nun ja, was für dich normal war.«
» Ich war in meinem Zimmer.«
» Wann?«
» Gestern. Ich hatte Kopfschmerzen. Ziemlich schlimme. Ich wollte meine Medizin aufschrauben, doch meine Hände zitterten so sehr, dass es mir nicht gelang. Mir war schrecklich übel.« Sie strich sich über die Stirn. » Und ich konnte auch nicht besonders gut sehen. Magellan mag es nicht, wenn ich seine Assistenten belästige, und der Koch hatte seinen freien Tag. Also habe ich mich auf die Suche nach Magellan gemacht.«
Sie war die Treppe hinuntergegangen, wie von Sinnen. Weinend vor Schmerzen und weil sie Angst hatte, dass sie an einer tödlichen Erkrankung leiden könnte. Und dann, in dem Moment, als sie die untere Tür geöffnet hatte, hatte jegliche Normalität ein abruptes Ende gefunden.
» Ich bin nicht verrückt«, flüsterte sie. » Ich weiß, was ich gesehen habe.« Und ob sie das wusste! Es hatte sich in ihrenVerstand eingebrannt. » Ich weiß, was ich gesehen habe.«
» Du hast Magellan gesehen. Und was noch?«
Sie hielt ihren Blick auf sein Gesicht gerichtet, als sie antwortete. Wie viel sie ihm anvertrauen würde, hing davon ab, was sie in seinen Augen las. » Er stand da, über einen Mann gebeugt.«
» Was passierte dann?«
Carson setzte sich auf ihre Hände, damit Nikodemus nicht bemerkte, wie sehr sie zitterten. » Er hielt ein steinernes Messer in der Hand.« Solange sie an dieses Messer dachte, brauchte sie nicht an andere, viel schlimmere Dinge zu denken. » Laut Katalog stammt es aus der Thar, der Großen Indischen Wüste. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es gestohlen wurde. Von einer Ausgrabung.« Sie holte tief Luft. » Magellan stach mit dem Messer auf ihn ein.«
» Und?« Das klang nicht ungläubig. Nicht betroffen. Und auch nicht mitleidig.
Erneut sprang das Entsetzen sie an, als wäre sie gerade erst in jenen Raum marschiert und stünde dort, jemanden anstarrend, den sie kannte und dessen Körper dennoch irgendwie anders wirkte. Nicht mehr menschlich. Und genau das war der springende Punkt, oder?
Carson zwang sich, wieder ruhiger zu werden. Sein Körper hatte nicht menschlich gewirkt. Der emotionale Aufruhr dieser Nacht hatte dazu geführt, dass sie nicht mehr beurteilen konnte,
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