In den Armen des Fremden
„Leider war alle Mühe umsonst. Der Börsenkurs fiel und fiel. Um ihn zu stützen, beschloss ich, selbst so viele Aktien wie möglich aufzukaufen. Also habe ich alles zu Geld gemacht, was ich besaß. Möbel, Kunstwerke und Schmuck, alles habe ich verkauft, zum Teil sogar unter Preis. Dinge, die sich seit Generationen im Familienbesitz befanden. Schließlich musste ich aus dem Stadthaus ausziehen, in dem ich aufgewachsen bin und das den Biedermanns seit über hundert Jahren gehörte. Ich bin in ein Apartment gezogen …“
Verlegen musste Kitty feststellen, dass ihr die Stimme versagte. Wo sie wohnte, war nun wirklich nicht ihr größtes Problem, aber irgendwie stand es beispielhaft für alles andere, was in ihrem Leben schiefgelaufen war.
Natürlich benahm sie sich albern. Trotzdem tat es weh, als Ford sagte: „Ach, komm schon. Du tust ja gerade so, als wäre ein Leben ohne Portier eine Katastrophe. So schlimm ist das auch wieder nicht.“
„Hast du schon mal ohne Portier gelebt?“, fragte sie.
„Ich wohne in einem umgebauten älteren Haus in Palo Alto in der Nähe der Universität“, antwortete er. „Einen Portier hatte ich noch nie.“
„Und jetzt lebe ich im dritten Stock eines Hauses, das noch nicht mal einen Aufzug hat. Verdammt noch mal, ich bin mit Personal aufgewachsen! Maggie, unsere Haushälterin, hat fünfundvierzig Jahre für uns gearbeitet. Als ich sie entlassen musste, konnte sie sich das College für ihre Enkelin nicht mehr leisten.“
Für Kitty, die ihre Mutter nie gekannt hatte, hatte Maggie fest zur Familie gehört. Doch die Entlassung war unvermeidlich gewesen. Die liebe Maggie hatte sogar noch versucht, Kitty zu trösten, hatte ihr heißen Tee gemacht und etwas gemurmelt wie Ich wollte schon immer auf Reisen gehen.
Nachdem Maggie zu stolz gewesen war, Geld anzunehmen, das ihr wie ein Almosen erschienen wäre, tat Kitty das Einzige, was noch in ihrer Möglichkeit stand: Sie spürte Maggies Enkeltochter auf und stellte sie bei Biedermann’s ein.
„Aber warum hast du das Haus denn verkauft?“, fragte Ford. „Und selbst wenn das unumgänglich war, wieso bist du nicht in eine schönere Gegend gezogen?“
Trotzig sah sie ihn an. „Als der Börsenwert fiel, konnte ich doch nicht tatenlos zusehen. Ich habe so viele Anteile wie möglich gekauft. Aber die Talfahrt ging weiter – und schließlich konnte ich nicht einmal mehr die Steuer für das Stadthaus aufbringen. Es gab keine andere Möglichkeit als den Verkauf.“
„Du hättest niemals dein Privatvermögen …“
„Das weiß ich selbst!“, fuhr sie ihn an. „Ich wollte die Firma retten und habe dabei einen schrecklichen Fehler gemacht. Darin bin ich anscheinend gut. Danke, dass du mich darauf hingewiesen hast!“
Leider war es wirklich nur einer von vielen Fehlern. Ein Gedanke, der Kitty oft belastete.
„Ich will doch nur h…“, setzte Ford an.
Aber Kitty schnitt ihm das Wort ab. „Ich brauche deine Hilfe nicht.“
Ohne sich um ihre Entgegnung zu kümmern, sagte Ford: „Wenn Biedermann’s wirklich pleitegeht, hast du alles verloren.“
Was sollte sie dazu sagen? Kitty kämpfte mit den Tränen. „Ja. Ich weiß.“
Aber das war zum Glück nur die eine Seite … Sie würde ein Baby haben, die Familie, nach der sie sich immer gesehnt hatte. Für Kitty änderte das alles.
„Sag mir bitte eines: Wenn du dich so verzweifelt für die Rettung der Firma einsetzt, warum dann auf so unauffällige Weise? Warum willst du nicht, dass jemand von deinem Engagement erfährt? Wieso verbringst du deine Tage im Wellnesscenter? Du kannst dir doch denken, was für einen schlechten Eindruck das macht.“
Sie sah ihn an. „Ich kann nicht …“, begann sie und brach ab. „Ich kann das nicht erklären.“
„Versuch es doch wenigstens. Ich würde dich wirklich gern verstehen. Gib mir irgendeinen Anhaltspunkt.“
„Ich bin ja schon dabei.“
Immer wenn ihr der Papierkram zu viel wurde, ging sie zusammen mit ihrer Sekretärin ins Wellnesscenter. Dort las Casey ihr aus den Unterlagen vor. So viel Schriftliches, vor allem die geschäftliche Post! Kitty konnte sich nicht darauf konzentrieren. Das Einzige, was half, war das Vorlesen.
Was war sie nur für eine Geschäftsführerin, die darauf angewiesen war, dass ihre Sekretärin ihr vorlas?
Sie kam sich vor wie ein Kind, das noch nicht zur Schule ging. Wie, um Himmels willen, sollte sie das Ford erklären?
Also sagte sie einfach: „Es ist, glaube ich, eine Art
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