In den Armen des Fremden
nicht infrage. Dazu bedeutet mir dieser Job viel zu viel.“
Beschwichtigend hob Ford die Hände. „Ich wollte nur nett sein.“
Aber Casey hatte ihn bereits durchschaut. „Sie wollten mich aushorchen“, stellte sie sachlich fest, während sie eine Tasse aus dem Regal nahm.
„Kann schon sein“, gab Ford zu.
Offenbar war diese Casey gegenüber ihrer Chefin absolut loyal. Vielleicht half ein Strategiewechsel … „Leider ist Kitty nicht immer sehr mitteilsam. Dass ich gern mehr über sie wissen möchte, macht mich nicht automatisch zum Gegner.“
Casey sah ihn misstrauisch an und gab schweigend Milch und Zucker in die Tasse. Missmutig betrachtete sie die Kaffeemaschine, die langsam vor sich hin blubberte.
Anscheinend war die arme Casey wie hin- und hergerissen zwischen ihrem Koffeinbedarf und dem Impuls, fluchtartig den Raum zu verlassen.
„Ich würde ihr gern helfen. Aber das kann ich nur, wenn ich verstehe, was mit ihr los ist. Irgend…“
„Sie wollen sie aus der Geschäftsführung entlassen?“
„Ganz und gar nicht.“ Zum Teufel, das war das Letzte, was er wollte. Wenn er sie dagegen gut versorgt und in sicherer Position wüsste, würde das seine Schuldgefühle ihr gegenüber etwas abmildern. „Im Gegenteil, ich möchte, dass sie ihre Position behält. Aber sie gibt mir keinerlei Anhaltspunkte. Sie …“
„Sie ist zu stolz“, vollendete Casey den Satz, ohne Ford anzusehen.
„Genau.“ Ermutigt durch ihren gleichmütigen Ton – immerhin wirkte sie nicht feindselig – fragte Ford weiter. „Wissen Sie vielleicht, warum sie Angst hat, ihren Job zu verlieren?“
„Hat sie Ihnen das gesagt?“, fragte Casey erschrocken.
Interessant! „Anscheinend machen Sie sich ernsthaft Sorgen um Kitty Arbeitsplatz.“
„Hören Sie! Ich weiß genau, was die Leute hier denken. Dass sie Haare auf …“ Casey unterbrach sich und nahm sich zusammen. Schließlich konnte der Mann schon bald ihr Chef sein. „… häufig anderen das Leben schwer macht. – Und daher keine bessere Mitarbeiterin bekommt als eben mich. Aber das stimmt nicht.“
Ford zog es vor zu schweigen. Wieder fragte er sich, warum Casey, die weder besonders nett war, noch über viel Berufserfahrung verfügte, die Stelle als Sekretärin der Geschäftsleitung in einer so renommierten Firma bekommen hatte.
„Sie ist der beste Chef, den ich je hatte“, fuhr sie fort. „Und wenn ich diesen Job verliere, ist auch mein Stipendium dahin.“
„Ihr Stipendium?“
„Ja. Die Mittel daraus stehen allen Angestellten bei Biedermann’s zu, die studieren. Denn ich könnte mir das College nicht leisten.“
„Ach so! Dieses Stipendium meinen Sie …“
Für Ford, der inzwischen alles über die Unternehmenspolitik von Biedermann’s gelesen hatte, war völlig neu, dass es ein Stipendium für Angestellte gab. – Das konnte nur heißen, dass Kitty das College für Casey aus eigener Tasche bezahlte. Kitty, die ihr Elternhaus und die Familienerbstücke verkauft hatte, kam für dieses Mädchen mit ihren schlechten Manieren auf …
Hatte Kitty womöglich … ein weiches Herz? Ebenso könnte der Dalai Lama einen Boxkampf finanzieren …
Und doch musste es so sein!
Ford strich sich durch das Haar. Warum war Kitty eine so widersprüchliche Frau? Eben noch wirkte sie empfindsam, fast zerbrechlich – und schon im nächsten Moment ausgesprochen kämpferisch.
Wenn es doch so einfach wäre, wie manche glauben, dachte Ford, und Kitty einfach nur ein Drache wäre …
Wenn er jemals wieder zu Ruhe kommen und Abstand von ihr gewinnen wollte, musste er Biedermann’s retten. Und Kittys Job.
Und offensichtlich auch Caseys …
„Wissen Sie“, sagte er. „Ich möchte hier von Anfang an alles richtig machen. Schon aus geschäftlichen Gründen, aber auch Kitty zuliebe. Wenn Sie mir dabei helfen, verspreche ich Ihnen, dass Sie Ihren Arbeitsplatz behalten – und Ihr Stipendium.“
Notfalls musste er eben dafür aufkommen … Na großartig, dachte er, noch eine Frau, für deren Wohlergehen ich verantwortlich bin …
Nachdenklich sah Casey ihn an. „Was möchten Sie wissen?“
„Kitty hat mir erzählt, ihr Vater habe nie erwartet, dass sie die Firma übernimmt. Wissen Sie vielleicht warum?“
„Nein“, antwortete Casey kopfschüttelnd. „Ich kenne ihn nicht, weil ich erst nach seinem Tod eingestellt wurde. Aber in der Firma erzählt man, dass er immer wollte, dass sie einen Mann heiratet, der die Leitung übernimmt. Wahrscheinlich ist das auch der
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