In den Armen des Highlanders
sich die Zofe bei Simon bedanken würde, nicht nur mit Worten.
Bei diesem Gedanken errötete sie. Hastig wandte sie sich zu Draven und schlang verlegen die Finger ineinander.
»Ich glaube, Ihr solltet Eurer Zofe folgen, Lady«, schlug er vor, nachdem die beiden außer Hörweite waren. »Irgendwie habe ich das Gefühl, mein Bruder wird sich nicht mit einem erfrischenden Schluck Wasser begnügen.«
»Und ich fürchte, Alys wird seine Wünsche nur zu bereitwillig erfüllen.«
In peinlichem Schweigen setzten sie den Weg zum Lager fort.
»O Mylord, was für eine lange, heiße Lanze Ihr besitzt!«
Als Alys’ Stimme vom Teich herüberdrang, stolperte Emily und fand nur mühsam ihr Gleichgewicht wieder.
Draven blieb stehen. »Vielleicht sollte ich ...«
»Nein«, unterbrach sie ihn und berührte seinen Arm. »Gönnen wir den beiden ihren Spaß.«
Verwundert starrte er sie an. »Nur wenige Ladies würden ihren Zofen so verständnisvoll begegnen.«
»Gewiss, ich müsste Alys etwas strenger behandeln. Aber sie ist eine gute Freundin. Und trotz all ihrer Fehler besitzt sie ein großes Herz.«
»Nur das zählt für Euch?«
»Aye«, bestätigte sie. »Menschen werden immer Fehler begehen. Letzten Endes kommt es nur auf ihr Herz an.«
»Und wenn sie keins haben?«
Irritiert vom sonderbaren Klang seiner Stimme, zögerte sie kurz. »Jeder hat ein Herz.«
Entschieden schüttelte er den Kopf. »Nicht jeder.«
»Doch, Lord Draven, jeder«, widersprach sie, hielt seinen Arm fest und zwang ihn, stehen zu bleiben. »Wisst Ihr, was ich sehe, wenn ich Euch anschaue?«
Was sie jetzt sagen würde, fürchtete er. »Ich habe kein Herz«, gestand er. »Es wurde mir schon vor langer Zeit herausgerissen.«
Emily legte ihre Hände auf seine Brust und er sah auf sie hinab. So klein und zerbrechlich wirkten sie ...
»Wenn Ihr kein Herz besitzt, Sir, was schlägt denn dann so erstaunlich stark gegen Eure Rippen?«
»Einfach nur ein Organ.«
»Vielleicht«, entgegnete sie und schaute in seine Augen. »Aber ich weiß die Wahrheit über Euch.«
»Und die wäre?«
Emily schwelgte in der Wärme seiner Haut, die durch ihre Arme in ihren Körper strömte. Inständig wünschte sie sich, er würde sich nur ein einziges Mal mit ihren Augen sehen. Nur für ein paar Sekunden. Gewiss, er war schmerzlich verletzt worden. Und mochte er auch ein weithin gefürchteter Krieger sein, so war doch ein Teil von ihm immer noch verwundbar. Das spürte sie. Diesen Teil verbarg er vor der Außenwelt, doch wenn sie dieses Versteck aufspüren könnte, würde sie den Schlüssel zu dem Herzen gewinnen, das ihm angeblich fehlte.
»Eines Tages, Draven«, wisperte sie, »eines Tages werdet Ihr die Wahrheit ebenso deutlich erblicken wie ich und Euch selbst kennen lernen.«
Ein Muskel zuckte an seinem Kinn. »Und ich hoffe inbrünstig, dass Ihr niemals die Wahrheit über mich erfahren werdet, Lady.«
Mit diesen Worten befreite er sich von ihrer Berührung und führte sie ins Lager.
Emily versuchte noch ein paar Mal, mit ihm zu reden. Doch er wollte nichts davon hören.
Kurz bevor die Dunkelheit hereinbrach, kehrten Alys und Simon zurück.
Mit strahlenden Augen und einem rosigen Schimmer auf den Wangen lief die Zofe zu ihrer Herrin, die am Lagerfeuer saß. »Eins muss Ich Euch sagen, Mylady«, flüsterte sie ihr ins Ohr. »Wenn Lord Draven nur halb so begabt ist wie sein Bruder, erwarten Euch himmlische Freuden.«
»Alys!«, tadelte Emily.
»Wartet es nur ab«, entgegnete die Zofe lächelnd. »Oh, Ihr habt ja keine Ahnung, wie ...« Hastig verstummte sie, als ein Ritter vorbeiging. »Bald werdet Ihr es erleben, Mylady«, prophezeite sie. Dann eilte sie davon und half einem der Männer, das Abendessen zu servieren.
Während des Mahles erzählten sich die Ritter Abenteuergeschichten. Doch Emily hörte nicht zu. Diese zeitlosen Legenden hatte sie schon tausend Mal gehört. Außerdem musste sie sich um andere Dinge kümmern. Zum Beispiel, wie sie Draven zum Lachen bringen konnte.
Wie sollte sie das anfangen? Während sie an einer gebratenen Hasenkeule nagte, belauschte sie die Brüder Ravenswood. Angeregt diskutierten sie über die politischen Entscheidungen, die der König traf, um sich mit den Franzosen und Schotten auseinander zu setzen. Kein Wunder, dass Draven niemals lachte ... Wie sollte man schon über etwas so Trockenes und Langweiliges wie Politik lachen können?
Was Lord Draven brauchte, war ein Witz, der ein Fun-kein in seine Augen zaubern
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