In den Armen des Meeres
»Wie ich schon sagte, de Warenne ist ein Glückspilz.« Elysse konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Endlich sagte er leise: »Und wenn ich eine Überfahrt arrangieren kann, was ist dann für mich drin?«
»Meine ewige Dankbarkeit«, sagte sie schnell. »Und ein Entgelt, wenn Sie möchten.«
Er schwieg einen Moment. »Ich hatte auf mehr gehofft.«
Sie war gekränkt. »Ich liebe meinen Ehemann.«
»So scheint es. Und doch habe ich gehört, dass Sie noch einen anderen lieben – Thomas Blair.«
Sie verzog das Gesicht. »Nein. Ich habe niemals einen anderen geliebt als meinen Ehemann. Blair und ich waren – und werden es auch bleiben – Freunde.«
Janssen dachte darüber nach. Er deutete auf ihre Kutsche, und sie gingen zusammen weiter. Elysse hoffte, dass er ihr helfen würde. Er hielt den Kopf gesenkt, und sie sah immer wieder zu ihm hin, ohne seine Gedanken erraten zu können. Dann endlich blieb er stehen und nahm ihren Arm. »Ich kann mühelos eine Passage für Sie finden. Ich glaube, die Odyssey legt am Ende der Woche ab. Den Kapitän kenne ich recht gut. Wenn er großzügig entlohnt wird, dann wird er Ihnen sicher eine Unterkunft bieten. Ich kann die Arrangements für Sie treffen.«
Elysse schrie auf. Sie freute sich so sehr, dass sie den Dänen um ein Haar umarmt hätte. »Wenn ich eine Koje auf diesem Schiff bekomme, dann werde ich das nie wiedergutmachen können, aber ich werde es versuchen. Ich werde tief in Ihrer Schuld stehen!«
»Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht einmal bei Mondschein mein Schiff ansehen wollen? «
»Ich kann unmöglich die Nacht bei Ihnen verbringen!«, rief sie entrüstet.
»So ist es vermutlich auch am besten. Ihr Ehemann mag mich nicht besonders, und eines Tages würde ich gern mit seiner Firma Geschäfte machen.« Er lächelte. »Sobald ich für die Reise alles arrangiert habe, werde ich Ihnen eine Nachricht zukommen lassen.«
Am liebsten hätte Elysse ihn umarmt. Stattdessen schüttelte sie nur seine Hand. »Bitte beeilen Sie sich. Je eher ich abreisen kann, desto besser.«
Nachdem er sie zu ihrer Kutsche zurückgebracht hatte und danach gegangen war, befahl Elysse dem Kutscher, sie und Matilda nach Hause zu fahren. »Es ist erledigt«, sagte sie leise zu ihrer Haushälterin. »Ich fahre nach China – am Ende der Woche.«
Kapitel 17
Vor Cape Coast, Afrika
Drei Wochen später spähte Elysse durch ihre Ferngläser an der dem Hafen zugewandten Backbordseite der Odyssey, nicht weit entfernt vom Bug. Sie vergaß, sich wegen der brennenden afrikanischen Sonne zu sorgen, und holte stattdessen tief Luft, überwältigt vom spektakulären Anblick der westafrikanischen Küste. Auf einem Felsvorsprung stand Cape Coast, eine weitläufige und imposante Festung, deren fast weiße Steinmauern wie Edelsteine in der Sonne glänzten. Allerdings nicht an den Stellen, an denen Dutzende von schwarzen Kanonen standen. Schneeweiße Strände erstreckten sich endlos am Fuße der Festung, umrahmt von üppigem, grünem Urwald, so weit das Auge reichte. Elysse schätzte, dass sie nur noch drei oder vier Meilen von der Festung entfernt waren.
Ein Dutzend Schiffe lagen im ruhigen Wasser zwischen ihnen und der Küste vor Anker, und der Grund dafür war offensichtlich. Elysse erkannte die weißen Schaumkronen auf den Brandungswellen des Atlantiks, die gegen die Küste schlug. Offenbar wagten es nicht einmal die kleineren Schiffe, näher vor Anker zu gehen. Während sie zusah, versuchten einige Boote den hohen Wellen zu trotzen und bis an die Küste heranzufahren. Es schien ein gefährliches Unterfangen zu sein.
Auf der Odyssey ging es geschäftig zu wie in einem Bienenstock. Die Toppsegel wurden eingeholt. Elysse starrte noch immer nach draußen und zählte ein Dutzend Kanus, gerudert von Afrikanern, die zwischen den vor Anker liegenden Schiffen umherfuhren. Einige waren mit Passagieren besetzt, andere hatten Fracht geladen. Sie sah, wie einer der Kutter in der starken Brandung kenterte, die Menschen an Bord fielen ins Meer. Sie holte tief Luft und beobachtete, wie die Männer darum kämpften, an Land zu gelangen. Als sie das geschafft hatten, reichte Elysse das Fernglas an Lorraine weiter.
Nie hatte sie sich Afrika so beeindruckend vorgestellt. Seit Lissabon waren sie auf dem Meer gewesen, ohne Land zu sehen, um unter den Nordostwinden zu fahren. Sie wusste nicht, warum sie jetzt so nahe zum Strand gekommen waren. Sie fühlte sich unbehaglich. Aber immerhin war die Marine in
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